Montag, 2. Februar 2015

Gesichtet: Jupiter Ascending




Jupiter Ascending 


USA 2015 

Regie: Andy + Lana Wachowski
Darsteller: Mila Kunis, Channing Tatum, Eddie Redmayne, Sean Bean

Laufzeit: 129 Minuten 


IMDB Link 


Boxoffice Infos 


Rottentomatoes








Verdammter Alltag. Jeden Tag um 4:45 Uhr aufstehen, Putzhandschuhe überstülpen, die Toiletten der Reichen sauber machen und den Müll der Wohlhabenden raus bringen: Mila Kunis hasst ihr Leben. Warscheinlich genauso wie Tausende andere Wecker-Sklaven mit einem der vielen anderen ehrlichen Jobs in der Dienstleistungs-Industrie. Ewwwwwwwwwwwww: Früh aufstehen! 

Würde es einen Zentralrat der Putzfrauen oder eine Gewerkschaft der Dienstmädchen geben, sie wäre “not amused” über den neuesten “Wachowski”-Brüder-Film. Alle Großgrundbesitzer sollten ihren Angestellten auf jeden Fall so wenig zahlen, dass sie sich keine Karte für dieses 3D-Science-Fiction-Märchen leisten können. Denn, Andy und Lana Wachowski haben die rettende Lösung aus der Kloputz-Misere: Channing Tatum.

Für alle Damen und Herren die es satt sind den Mist der anderen auf zu räumen, für alle die endlich die Klobürsten zur Seite legen wollen, gibt es eine Rettung. Denn, wie es uns “Jupiter Ascending” weiss machen will. Hinter jeder Klofrau könnte auch eine Prinzessin stecken. Es sei denn ihr heldenhafter Prinz findet sie und befreit sie aus ihrem scheiss Leben. 

Prinz, gefallener Engel, Außerirdischer und Wolfsmensch: Channing Tatum

Doch starten wir am Anfang der Geschichte: Bildfüllend ist eine große Packung Vaseline zu sehen. Anders als in “Kill Bill”, soll die Creme in “Jupiter Ascending” allerdings eine emotionale Bindung zwischen einem Pärchen darstellen. Hier schmiert ein liebevoller Ehemann den gigantischen Kugelbauch seiner Frau mit der Salbe ein, damit keine Hautstreifen entstehen. Ewwwwwwwwwwww… Ein irgendwie verfehltes Bild, dass von Oben gefilmt nicht gerade den gewünschten sentimentalen Effekt erzielt. Na ja: Aus dem Kugelbauch wird alsbald Mila Kunis geboren. Alias Jupiter Jones: Nein — Nicht die Band aus der Eifel, die seit Herbst 2002 durch die deutschen Charts geistert. 




Jupiter Jones ist nämlich nach dem coolsten und größten Planeten unseren Sonnensystems benannt worden. Tja und doch klappt es mit dem Erfolg nicht so und unsere Jupiter kämpft sich täglich durch ihre Low-Life-Misere. 

Als sie, um ein wenig Geld in die Familienkasse zu spülen, ihre Eizellen verchecken will, wird Madame Jones im Krankenhaus fast von Aliens umgenietet. Wäre da nicht Channing Tatum alias Caine. Eine genetische Mischung ("Splice") aus Wolf und Mensch mit einem Sechs-Millionen-Dollar-Gehör, sexy Narben am Körper und — Wie es uns die “Twilight”-Trilogie bei Werwölfen gelehrt hat — mit der Ambition die meiste Laufzeit des Films Oberkörper frei herum zu laufen. Wie dem auch sei. Eigentlich ist unsere Kloputzerin nämlich die genetische Reinkarnation der Mutter einer etwas degenerierten Weltraum-Dynastie die im Begriff ist das komplette Universum zu unterjochen. Da wäre zum einen der Herrscher Balem: Eine Mischung aus Nosferatu, David Bowie und Gary Oldman in “Das fünfte Element” der - wenn er nicht gerade verloren in Gedanken in seinem pompösen Tron herumsitzt - cholerisch in der Gegend herum schreit und anderen Leuten fiese Verträge aufdrängen will. 

Die fiese Weltraumfamilie
Und zum anderen Titus: Eine Mischung aus Weltraum-Don-Juan und Barbies-Traummann Ken, der sich ungern bei der Auslebung seiner Promiskuität stören lässt und so fiese Sachen plant wie Hochzeiten. 

Ein Glück hat Jupiter Jones ihren Wolfsmenschen. Immer wieder muss er sie aus den brenzlichsten Situationen retten. Da wird ein — bei “Superman - Der Film” geklauter — emotionaler eng umschlungener Flug das Hochhaus hinauf schnell zum interstellaren Kampf mit nervigen Außerirdischen. Laserwaffen schiessen durch die Lüfte, Raumschiffe reißen in Teile, Bürohäuser fliegen auseinander aber trennen kann unsere Turteltäubchen nichts. Es ist als wäre ein Engel vom Himmel gefallen der unser Dienstmädchen an malerische Orte bringt und sie zur Prinzessin macht. Irgendwann wird sie schon mit dem Kopf im Klo aufwachen und realisieren, dass sie wieder zu lange am Putzmittel gerochen hat, denkt man sich, bis ihre Majestät wieder in den nächsten mysteriösen Plot-Point stolpert. 

Die "Aschenputtel"-Mär fühlt sich so an als hätte Disney einen Science-Fiction-Film gedreht und vergessen seine Charaktere auch singen zu lassen. Alle Anleihen sind mit drin. Sei es “Die Schöne und das Biest”, “Cinderella” oder “Frozen”, dabei wirkt “Jupiter Ascending” leider nicht wie ein Pixar-Film, sondern wie die Essenz allem oberflächlich-langweiligem aus dem Disney-Universum. Sei es der Böse Balem der in seinem fiesesten Moment wie der Dath Vader des Kapitalismus schreit “Zu Leben ist zu Konsumieren!”. Oder seien es die Bienen, die sich um Jupiter Jones formieren und ihren Bewegungen gehorchen, weil — wie wir ja wissen — Bienen genetisch dazu prädestiniert sind, einer Königin zu folgen. Alles irgendwie unfreiwillig komisch, alles irgendwie auf 08/15 Studiofilm-Niveau. Wo ist die Kreativität der Wachowskis, die in "Bound" einen unheimlich spannenden Thriller vorlegten? Wo sind die auf die Sekunde genau getimten Actionszenen, die uns in "Matrix" staunen liessen? Alles wirkt so unspektakulär und überholt. Immer wieder erinnern uns die Charaktere daran, wie klein und unbedeutend doch die Menschheit ist. Wie hochnäsig sie auf der anderen Seite aber auch ist, wenn sie behauptet, die einzige intelligente Rasse im Universum zu sein. 

Und dann haben diese weit-entwickelten anderen Lebewesen, dessen Ziel es ist die Prinzessin zu töten, nichts anderes zu tun als unsere Heldin mit der exquisiten bösen und niederträchtigen Kunst einer Dinnereinladung fertig zu machen. 

Showdown am Dinnertisch
Sie in wunderschöne Kleider zu stecken und sie vor einem jubelnden Volk Zwangs-zu-Verheiraten.

Fies: Ein Ehevertrag und tolle Kleider

Oder sie dazu zu zwingen Verträge zu unterschreiben. Leben ist ein Akt des Konsums" wettert Bösewicht Balem gegen die Prinzessin der Erde und irgendwo zwischen den herumfliegenden Laserstrahlen und Channing Tatums Anti-Gravitations-Rollerblades ist der Aufruf versteckt, sich nicht andauernd den neuesten Schwachsinn holen zu müssen. Wer braucht schon Fernseher mit höherer Pixeldichte, Spielekonsolen mit größerer Auflösung und den neuesten 4K-Blu-Ray-Player? Niemand! Wir alle könnten einfach nur jeden Tag Klos putzen gehen und davon Träumen eines Tages die Prinzessin der Welt zu sein. Doch dann wäre es uns nicht möglich den "Jupiter Ascending"-Soundtrack in der Doppel-CD in glasklarem Master Audio zu gönnen, das Spiel zum Film zu zocken oder die HD-3D-Version mit Making-Of's und vielen Fotos Hinter den Kulissen der Dreharbeiten zu geniessen. Ewwwwwwwwwwwwwwwwww... 

Ewwwwwww... noch mehr sexy Kleider und ein Dinner

Ein Hoch auf den Kapitalimus: Infinity-Pool mit Jupiter-View



Interview mit Channing Tatum zu "Jupiter Ascending":

Andy + Lana Wachowski über ihre Lebensgeschichte:

Trailer: Bound (1996) 


Wachowskis über "Bound" 


40% 
Fotos: Warner Bros Entertainment 
Text: Markus Breuer

Sonntag, 28. Dezember 2014

Wir waren mal Stars: Hollywood 1994


Sie wurden nicht als Actionhelden geboren. Nicolas Cage gewann, bevor er das erste Mal als Actionstar über die Leinwand hüpfte, erstmal einen Oscar und wurde als ernstzunehmender Charakterdarsteller gehandelt. Liam Neeson etablierte sich nach seiner Oscarnominierung für die Darstellung des Oskar Schindler in Steven Spielbergs Nazi-Drama “Schindlers Liste” als Elite-Schauspieler. Keanu Reeves verdiente seine Brötchen als freakiger Headbanger und um nicht immer wieder in der gleichen Rolle besetzt zu werden, musste sich der in Beirut geborene heranwachsende Star neu erfinden. Erwachsenere Rollen sollten für ihn gefunden werden. Nach vielbeachteten Dramen wie "Dracula" und "Little Buddha" dann plötzlich der Money-Glücksgriff: Von Heute auf Morgen wurde er mit full “Speed” zum Superstar. Sogar Charlie Sheen rastete komplett aus und fragte sich öffentlich: “Wieso dreht der mit Coppola und Bertolucci?”



Genau vor 20 Jahren feierte Reeves seinen dreizigsten Geburtstag und zeigte bei Shootings noch total frech den blanken Hintern in die Kameras der Fotografen. Ganz Sexsymbol eben. “Der wütende Buddha” heisst ein Portrait das Heiko Rosner 1994 in der cinema schrieb. Als “ganz anderen Tough Guy” bezeichnet ihn der Autor, “einer der Härte mit Sensibilität verbinden kann”. Stallone und Co. Hatten zwar mehr Muskeln zu bieten, der Sunnyboy aus “Bill und Teds”-Zeitreise-Telefonzelle, spielte sich nun allerdings nicht nur in die Herzen der Actionnerds, sondern auch in die intimen Tagträume der Damen.



Es war der 7. Juni 1994. Die Sommerhitze schaffte es nicht an den Klimaanlagen des Hotelkomplexes vorbei zu strahlen. Filmteams, Journalisten, Fotografen. Sie alle warteten auf einen englischen TV-Star. Dann betritt Pierce Brosnan: schlank, Vollbart, extrem gutaussehend und total lässig die Bühne. Erst einen Tag vorher, am 6. Juni 1994, haben die Deharbeiten zu seinem TV-Film "Robinson Crusoe" begonnen. 


Jetzt spricht er vor der Pressemeute: “Die Rolle wurde mir ja schon vor 8 Jahren angeboten, doch ich war vertraglich an “Remington Steele” gebunden”: Es ist also offiziell, Pierce Brosnan wird der neue James Bond.


Übernacht ist auf der ganzen Welt nur noch von ihm zu hören und zu lesen, doch "Remington Steele" muss erst mal wieder ans Insel-Set des TV-Crusoe zurück. Am letzten Drehtag ist sein Marktwert schon so hoch gestiegen, dass er für ein paar Nachdrehs anstatt der Gagen-Erhöhung lieber einen Porsche Carrera 911 in Zahlung nimmt und davon düst. Unter Brosnan wird Bond kommerziell ultra erfolgreich, das komplette Jahrzehnt durch bleibt er MI6-Geheimagent, die Filme schwanken zwar in der Qualität, aber Brosnan wurde immer mehr zum Superstar. Mit ihm wird der Agent im Dienste ihrer Majestät zum schillernden Promo-Bond. Ziemlich Posh, mehr Model als Schauspieler, elegant, glamourös, mehr künstliche Marke als lebendiger Charakter. Eine glänzende Litfaßsäule der Sponsoren. 

Peter Travers vom Rolling Stone Magazine verglich “Tomorrow Never Dies” 1997 treffend mit dem gleichermaßen als Popkultur-Sponsoren-Vehikel vermarkteten England-Film “Spiceworld - The Movie”.


“Wenn man die Rolle von Bond annimmt, hat man auch gleichzeitig so etwas wie einen Botschafter-Job inne” analysierte Pierce selbst und warb fortan rund um den Globus auf Werbeplakaten für Uhren, Autos und Cremes. 


Robinson Crusoe wurde übrigens nach dem Dreh erstmal zurückgestellt. Die Produzenten wollten auf den Bond-Hype warten und Crusoe später veröffentlichen. Am Ende schaffte er es weder in den USA noch in den UK zu einer Kinoauswertung. Immerhin: Im Tom Hanks Film “Cast Away” von 2000 wird dem Team vom "Pierce-Crusoe" im Abspann gedankt. 


Kevin Costner dagegen war 1994 bereits schon ein richtiger Megastar. Der Schauspieler aus Kalifornien startete das Jahrzehnt mit einem Oscarmarathon für seinen dreistündigen “Dances with Wolves” der 7 goldene Statuen mit nach Hause nehmen konnte und “Godfather 3”, “Goodfellas” und “Ghost” mit Patrick Swayze in der großen Awardnacht ausstach. Das er sogar als “bester Film” gewinnen sollte überraschte Costner sichtlich selbst. 


Mit dem Rucksack voller Hollywood-Gold machte er sich auf aus Los Angeles die ganze Welt zu erobern. Schon im Juni 1991 lechzte das Videofachmagazin “Video Plus” ihm auf dem Cover hinterher: “Alle sind scharf auf Superstar Kevin Costner”



Nach dem Welterfolg von "Robin Hood" und "Bodyguard" kam niemand mehr an ihm vorbei. Nicolas Cage wollte es derweil seinem Vater zeigen. Nachdem Onkel Francis Ford Coppola bei den Dreharbeiten zu “Rumble Fish” ihn eine Szene bei der er nur auf die Uhr schauen musste, 42 Mal spielen ließ, schlussfolgerte Papa Cage “er soll sich einen anderen Job suchen!” Danach legte Nic so richtig los: “Arizona Junior” Mit den Coen-Brüdern, David Lynchs Raodmovie “Wild at Heart” das Cannes gewann und dann “Leaving Las Vegas”. Der Film mit dem er sich als feinfühlger Alki zu seinem Oscar soff.


Es war im Juni 1996. Über zwei dutzend Kamera-Teams kämpften um einen Platz auf der Insel. Rot-Weisse-Fähren schifften die Schauspieler und Gäste zur Premierenparty. Es duftete nach Popcorn, Stars & Sternchen suhlten sich im Blitzlichtgewitter, immer wieder wurden am Strand Party-Crasher auf Jet-Skis und Windsurfbrettern von der Küstenwache verjagt als eine Propellermaschine über den 500 Köpfen der eingeladenen Schickeria flog, an der ein riesiger Banner mit der Marketing-Phrase des Films befestigt war: “Get ready to Rock”. Nic Cages Vollbart flattert im Wind als er mit der einzigen heißen Blondine des Abends im Arm auf der Gefängnisinsel Alcatraz landet, die nicht lacht. Ihm und seiner Frau Patricia Arquette ist der ganze Rummel sichtlich zu viel. Vielleicht wusste er auch: Nach diesem dekadenten Blockbuster-Konfettibomben-Fest ist es aus mit der Charakterdarsteller-Karriere. 


[Zwei Jahre Später folgte auf den kommerziellen Erfolg von "The Rock" der Actionkracher "Con Air". Wieder mit Michael Bay als Regisseur und Cage diesmal mit der langen Haarmähne bewaffnet, die auch Bays Haupt schmückt. (Europas größte Filmzeitschrift damals, widmete dem Star ein zweiseitiges Portrait)]

Bay und Connery am "The Rock"-Set 1996
Disney lud nicht nur das Filmteam von “The Rock” zur großen Premieren-Sause ein, im Innenhof der Gefängnisinsel ward gar ein riesiges weißes Zelt installiert, samt Filmprojektor und 44-Fuß Leinwand. Eddie Murphy, Robin Williams, Carlos Santana und Disney-Präsident Michael Ovitz hatten abgesagt. Sean Connery ging es eh nicht so gut und als ihn die Journalisten mit Fragen bombardierten, antwortete er nur: “Zurück auf die Gefängnisinsel für diese Premiere kommen, ist der schlimmste Part in der Produktion des Films”. Keiner hat sich den Spaß wohl gewünscht, doch einer ist sichtlich beunruhigt. “Ich habe den Film schon acht Mal gescreent und das ist das ruhigste Publikum mit dem ich ihn jeh gesehen habe” verrät Regisseur Michael Bay, ein schlaksiger, langer Mann, der Berichterstatterin der New York Times. “Ich liebe es solche Filme mit Leuten zu sehen, für die sie gemacht sind. Sie lachen, klatschen und sind einfach viel lauter”. So wird es in der Karriere des Krawall-Papstes auch bleiben. Gehasst von der Presse, geliebt von seinen Fans. Eine Schublade in die es Cage auch bald selber treiben wird. 


Donnerstag, 20. November 2014

Gesichtet: "Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 1"


Die Tribute von Panem - Mockingkay Teil 1

USA 2014 
Regie: Franics Lawrence 
Darsteller: Jennifer Lawrence, Woody Harrelson, Philip Seymour Hoffmann, Julianne Moore 

Laufzeit: 123 min. 

IMDB-Link 

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Deutsche Filmseite 









Die ersten beiden Teile der "Hunger Games"-Serie waren knallbuntes Popcorn-Kino mit sozialkitischen Untertönen. Schrille Kostüme, die so aussahen als wären wir in einem mulitmillionen Dollar teuren Universum einer niemals enden wollenden Transenparty gelandet. Und sadistische Spiele unter Teenies, die wie bei dem japanischen Schlachtfest "Battle Royale" tödlich enden können. Alles hinter der Kulisse eines totalitären Staates, der sein Volk unterdrückt. Nun, im mittlerweile dritten Teil, Teil 1 der Saga ist alles anders. Der Grundtenor ist um einiges düsterer, die Sonne scheint überhaupt nicht mehr, wir sind mit der Revolution im Untergrund angekommen. In den ersten Sekunden des Films, hievt sich Jennifer Lawrence alias Katniss Everdeen unter Tränen aus dem Krankenbett des Rebellen-Unterschlupfs um sich anschliessend durch den Film zu kämpfen. Sie wird in den folgenden zwei Stunden öfter weinen, sie wird Ansprachen halten, als Propaganda-Gesicht missbraucht werden, immer wieder mit ihren Emotionen zu kämpfen haben und dabei eine wirklich gute Performance abgeben.



Eine großartige Schauspielerin, so gut, dass ihre Teenie-Kollegen daneben so blass und grau wie das Setting wirken. Einzig und allein Woody Harrelson kann da noch etwas aus seiner Rolle heraus holen und eventuell noch Elizabeth Banks, die für die wenigen belustigenden Augenblicke des deprimierenden Streifens mit an Bord ist. Philipp Seymour Hoffmann, Donald Sutherland, Julianne Moore und Co. haben einfach zu wenig Screen-Time um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen und so müssen sie eben weisse Perrücken tragen um irgendwie im Gedächtnis zu bleiben. Weil die ersten beiden Buchadaptionen weltweit mehr als 1.4 Milliarden Dollar eingespielt haben und Filmstudios von geldgierigen Anwälten geführt werden, wurde das letzte der Bücher in zwei Filme aufgeteilt. Genau wie bei "Twilight", dem "Hobbit" oder "Harry Potter" merkt man das natürlich auch. Viel zu langgezogen wirkt der Streifen, der eigentlich nur dafür da ist um den Spannungsbogen zum nächsten Film zu dehnen.



In der dargestellten dystopischen Zukunft fühlt man sich wie in dem verwirrten Kopf einer Klischeeversion eines Hollywood-Gothik-Teenies, dass sich ständig ritzt, sich in schwarze Klamotten einhüllt, in der Schule gehänselt wird und Abends heulend im Bett liegt. Es gibt Szenen, wie den Rettungsversuch einer Katze, der in letzter Sekunde klappen muss, die wirklich keinen Sinn machen. Dann wiederum Momente in denen der Film einfach anhält. Sich von den Anstrengungen der Revolution und der schweren Blockbuster-Bürde auf seinem Rücken ausruhen muss. Dann sitzt Katniss vor einem See, beobachtet die Vögel und fängt an in bluesiger Stimme einen Song anzustimmen, der sich wie ein roter Faden durch die nächsten Szenen zieht. Unheimlich poetisch.



Wer sich in die langen Schlangen der Multiplexe stellt und ein Bayham-Explosions-Schlachtfest erwartet, der wird enttäuscht sein. Es gibt große Set-Pieces wie die Sprengung eines Staudamms oder einen Luftangriff. Aber eigentlich werden nur die Weichen für ein größeres Spektakel gelegt. Am besten als Double Feature 2015 mit "Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 2" schauen.

Pressekonferenz nach der Premiere: 



60%

Text: Markus Breuer 
Fotos: Promo

Sonntag, 9. November 2014

Gesichtet: Interstellar


Interstellar 
 
USA 2014
Regie: Christopher Nolan
Darsteller: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Michael Caine, Jessica Chastain

Laufzeit: 169 Minuten 

IMDB-Link

Boxoffice Infos
 

Deutsche Filmseite 









Auf Regisseur Christopher Nolan lastet ein immenser Erfolgsdruck: Mit “Inception” hat der gebürtige Brite das Unterbewusstsein in einen Actionthriller verwandelt, in “Memento” die Regeln der Erzählstruktur auf den Kopf gestellt und mit seiner “Dark Knight”-Trilogie 2.5 Milliarden Dollar Umsatz gemacht. Nolan ist einer von sehr wenigen Regisseuren, die in Hollywood eine Wildcart besitzen, nicht viele können in ein Meeting mit erfolgsorientierten Studiobossen gehen und mit 200 Millionen Dollar wieder raus kommen. Doch für die mächtigen Studios, muss sich die Investition auch rechnen. Trotzdem: Wenn es ihm in den Sinn kommen würde, könnte er das Telefonbuch verfilmen. In 3 Teilen. A - H, I - K und L - Z. Budget? 1 Milliarde! Wieso eigentlich nicht. Was macht er aber nach seinem „Batman“-Superhelden-Hit? Etwas was sich kaum noch jemand in Hollywood traut. Während gängige Blockbuster jenseits der 100 Millionengrenze auf mindestens zwei gleich große Fortsetzungen, eine Videospieladaption und unzählige Spielzeug-Verträge ausgelegt werden, auf Bestseller basieren sollten oder nur weitere Fußabdrücke der Prequel, Sequel & Remake-Manie sind, hat sich Chris Nolan für eine originelle Science Fiction Story entschieden. Und nicht nur das. Mit Physikprofessor Kip Thorne als Koproduzent, der als Berater mit am Drehbuch schrieb und seine Theorien mit einfließen ließ, geht die Tendenz eher in Richtung Science als Fiction. 

Lassen wir Kip seine Raumtheorie mal selbst erklären... 

Doch taugt das 3 stündige „Interstellar“ Astrophysikseminar überhaupt was? Oh ja! Während einen Wurmlochtheorien, Singularitäts-Hypothesen & schwarze Löcher um die Ohren fliegen, ist der Exkurs ins Weltall durch die Beziehungen der Hauptdarsteller sehr emotional auf unseren Heimatplaneten geerdet und nicht nur obligatorisches Deepspace-Eye-Candy.



Das epische Abenteuer startet in einer Zukunft, die wie unsere Vergangenheit daher kommt. Maisfarmer Cooper (wer braucht schon einen Vornamen) lebt mit seiner Familie im verstaubten Amerika. Die Nahrung des einst so ergiebigen Planeten geht Zuneige und so langsam muss sich die Menschheit wohl auf ihre Ausrottung gefasst machen. Die Holzhütten-Farm, die Mode der Protagonisten (Holzfällerhemden und Jeans), verstaubte Bücher im Wohnzimmer. Man fühlt sich als würde man in den dreißiger Jahren aufgewacht sein, im ersten Drittel fällt kaum auf, dass der Streifen einige Jahre in der dystopischen Ferne spielt. Doch, das ist natürlich pure Absicht. Holen wir zum besseren Verständnis ein bisschen weiter aus. 

Amerika in den 30iger Jahren. Quatsch! In der nicht allzu fernen Zukunft...

Irgendwann im Frühjahr 2013, nach einer stundenlangen Autofahrt durch die unendlichen Weiten der isländischen Gletscher- und Berglandschaft, stand Regisseur Christopher Nolan mit seinem Team an einem See. In der ferne schimmerte ein Fels empor und das Filmteam versammelte sich am Wasserrand. Plötzlich zog sich der Brite die Schuhe aus und watschte durch das matschige Nass gen Felsvorsprung. Seine Crewmitglieder, darunter Cinematographer van Hoytema („Let The Right One In“, Nachfolger von Kollege Wally Pfister, der sich mit der Sci-Fi-Gurke „Transcendense“ in den Regiestuhl verabschiedet hat und damit nicht mehr Nolans Nummer eins in Sachen Bildgestaltung ist) guckten sich verdutzt an. Was hat der vor? Wo will er hin? Egal, auch sie zogen alle ihre Schuhe aus und folgten ihm. Genauso wie wir uns jetzt Nolans Abenteuer im Weltraum anschliessen werden. Was hat er vor? Wenn bei einem Baseballspiel plötzlich eine gigantische Sandwolke gen Sportplatz weht. Die aus dem Untergrund agierende Nasa einen Plan ausheckt um die Menschheit zu retten und Matthew McCounaghey ein Raumschiff Richtung Schwarzes Loch steuert. Eins ist klar, unsere Aufmerksamkeit hat er und viele Nolan-Jünger werden ihm folgen. Der isländische Fels war dem Regisseur übrigens zu klein und so zog er mit seiner Crew weiter. Doch, wie kam es zu diesem Ausflug?



Nolans Reise in die Galaxis startete mit seinem Bruder Jonathan. Der werkelte schon seit ein paar Jahren für Paramount Pictures an einem Drehbuch, dass Kip Thornes Theorien über den gekrümmten Raum und die verbogene Zeit in einem epischen Projekt auf die große Leinwand hieven sollte. Im Regiestuhl? Steven Spielberg! “Ich wollte den Film starten lassen wie einen Spielberg Film der frühen Achtziger. Aber nicht wie damals, sondern wie er heute aussehen würde” verriet Nolan im Empire Magazine und würdigt damit den eigentlichen Regisseur. Der hatte sich anderen Aufgaben gewidmet und gönnte sich unter anderem einen Ausflug nach Berlin. Dort spaziert Spielberg gerade mit Tom Hanks durch Mitte, da bald die Berliner Dreharbeiten für einen Agententhriller anlaufen, der sich um den Gefangenenaustausch an der Glienicker Brücke dreht. Es musste also jemand anderes für die unendlichen Weiten des Weltraums gefunden werden. Jonathan erzählte seinem Bruder von dem Drehbuch und der hatte gleich ein paar neue Ideen für das Skript. Den ersten Teil ließ er in dem Spirit, doch sobald es in den Weltraum geht, sind wir in Nolans Kopf angekommen. Worum geht’s? Keine geringere Aufgabe als die Rettung der Menschheit wird einer Handvoll Leuten übertragen.





Doch bevor die Rakete mit Anne Hatheway, Matthew McConnaughey (dessen Charakter Cooper eine Anspielung auf Testpilot und Nasa-Flugpionier Gordon Cooper ist, der als einer der ersten Astronauten in die Erdumlaufbahn geschossen wurde) und David Giyasi an Bord die Erde verlassen konnte, musste Nolan noch einen guten Freund um Rat fragen. Als er Über-Komponist Hans Zimmer konsultierte, war der gerade dabei, den neuesten Supermanfilm zu vertonen. Die unkonventionelle Anfrage? 


"So, Hans, if I wrote one page of something, didn’t tell you what it was about, just give you one page, would you give me one day of work? Whatever you came up with on that one day would be fine!"

Zimmer sagte zu und hatte ein paar Tage später einen Umschlag in seinem Briefkasten. Mit Schreibmachine getippt. Auf dem Papier stand eine Kurzgeschichte über einen Vater, der sein Kind aufgrund eines wichtigen Jobs verlassen muss. Einen Tag später ließ der Komponist wissen, er wäre soweit. Nolan war gespannt. Setzte sich in sein Auto und fuhr direkt los. Angekommen spielte Zimmer den Track vor, drehte sich um und sah Nolan in seinem Bürostuhl sitzen. “Jetzt muss ich den Film machen” sagte er überzeugt. “Klar, aber was für einen Film” wollte Zimmer wissen. Dann fing er an diese ganze Geschichte über die Rettung der Menschheit, den Weltraum, die Theorien etc. zu erklären und Zimmer antwortete: “aber ich hab dir doch nur ein kleines, sehr persönliches Stück geschrieben”. “Ja, aber jetzt weiss ich wo das Herz des Films ist”. Das Herz, das ist Coopers Tochter Murph, die auf der von Tag zu Tag immer unbewohnbareren Erde zurückgelassen wird, als es für die „Interstellar“-Astronauten Richtung deep space geht.


Per Nolan in die Galaxis: Hier mit seinem Hauptdarsteller am Set...


Auf der Suche nach einem Ersatzplaneten und getreu dem Grundsatz von Murphys Law, geht alles was auch nur auf dem Trip schiefgehen kann, natürlich wirklich schief. So knallbunt wie die gängigen Superhelden-Sagen wo es sonst um die Rettung der Erdenbewohner geht, ist Interstellar jedoch nicht, doch Nolan traut sich viel. Von Überraschungen bei der Auswahl seiner Nebendarsteller, einer gigantischen Explosion im All bei dem er die Soundeffekte stumm stellt, auf der einen, und einem glockenhellen Hans-Zimmer-Bombast-Soundtrack auf der anderen Seite. Schnelle MTV-Ästhetik sucht man vergebens, jede noch so kleine Szene ist bis ins Detail ausgearbeitet und keiner der zahlreichen Effekte wurde im Greenscreen gebastelt. Von Erdähnlichen Planeten, über gigantische schwarze Löcher und allem was wir auf dem Spaziergang ins All noch begegnen, arbeitete Nolan am Set mit Hochleistungs-Beamern, die den Weltraum und die interstellaren Sterne und Planeten direkt an die Studiowand holten.



Ob zum Saturn oder in eine komplett andere Galaxie. Die entstandenen IMAX-Bilder lassen den Zuschauer direkt an dem Spektakel teilhaben. Allerdings ist die 70mm Kopie auf der der Streifen gedreht wurde in Deutschland nur auf 2 Kinoleinwänden zu sehen. Eine davon im Berliner Sony Center. Alle anderen bekommen die digitale Imax-Version, die Nolan kurz vor dem Kinostart in eigener Aufsicht noch mal remasterte, vorgesetzt. Der Hype ist trotzdem kaum zu bändigen. Schon vor dem Dreh waren die Studios so wild auf die finanzielle Auswertung des Projekts, dass Warner Bros. zum Beispiel einen Deal mit einem eher unkonventionellem Tauschpaket abschloss. Warners Rechte an der Erfolgs-Slasher-Serie “Freitag der 13.” und die Schimpfmäuler von “South Park” wurden gegen die internationale Auswertung des Science-Fiction-Film getauscht. Mit der Prämisse, dass in den nächsten 5 Jahren "Freddy" + "South Park" Filme unter Paramount Pictures entstehen, bei dem "Interstellar" eigentlich exklusiv im Vertrag war. Ein so großes Potential und Vertrauen wird einem originellem Sci-Fi-Abenteuer nicht jeden Tag zugesprochen. Zumal der Film mit seiner Überlänge von knapp 3 Stunden und keiner Aussicht auf Sequels auf den ersten Blick nicht allzu große Chancen haben sollte. Irgendwie hat es Nolan aber geschafft seinen eigenen Namen als Qualitäts-Marke zu etablieren und nach „Inception“, der gigantische 800 Millionen einspielte, will Warner ein Stück vom Kuchen ab haben.



Getauscht: Paramount hat jetzt die Rechte an Freddy und Cartmann & Co.


Doch, wobei „Inception“ noch mit wilden Verfolgungsjagden durchs Unterbewusstsein, zumindest für die jüngere Generation, ausreichend Action bot, verlangt der viel ernstere „Interstellar“ sehr viel Aufmerksamkeit von seinem Publikum. Nach dem Presse-Screening fühlten sich viele der Journalisten etwas „lost in space“ nachdem sie den Physik-Theorien nicht immer folgen konnten, während andere von den emotionalen Teilen der Geschichte überrumpelt wurden. Nicht jeder wird einen Zugang in die Story finden. Neben der Physik, nimmt sich "Interstellar" viel Zeit für philosophische Grundsatzfragen. Wie stark ist unser Überlebensdrang? Ist der größte Feind der Menschheit, nicht der Mensch selbst? Wie stark bindet Liebe? Eine Mammut-Aufgabe für einen Science-Fiction-Film die es schaffte den einen oder anderen eine Träne zu entlocken, wobei andere die emotionale Ebene zu kitschig und unausgereift fanden. Dennoch, manchmal scheint sie in den frühen Minuten des Films hervor, diese Spielberg-Magie und man fragt sich, was wohl der eigentliche Regisseur aus dem Stoff gemacht hätte. Mit den Klassikern des Altmeisters, kann sich Nolans Space-Oper trotzdem nicht messen, sie ist einfach zu Erwachsen. Das muss nicht schlecht sein, wenn ein Multimillionen-Hollywood-Blockbuster auch mal den Kopf der Rezipienten anstrengt. 

Doch sind die Synapsen der potentiellen Zielgruppe mit schnellen, wirren Schnitten und explodierenden “Bayham”-Konfettibomben noch so arg belastet, dass nach dem Abspann, zwei von fünf Leuten eher gähnend den Saal verlassen werden und nicht wissen was in diesen 169 Minuten-Abenteuer eigentlich alles passiert ist. Echauffieren kann man sich auch an der Tatsache, dass das Wohlergehen der Menschen mal wieder ausschließlich von einer Handvoll Amerikaner abhängt. Es scheint fast so, als würde die komplette Menschheit nur in dem vom Kolumbus entdeckten Areal auffindbar sein. Asien, Europa oder gar Südamerika wirken gespenstisch abstinent. 



Auch eine uramerikanische Institution scheint sich groß in die Ideen und Handlungsstränge des Films eingekauft zu haben. Streckenweise erscheint die Handlung wie ein Hilferuf der Nasa, die in den letzten Jahren nicht nur immer wieder mit Budgetkürzungen zu kämpfen hat, sondern oft schon durch private Firmen in ihrem Pioniergeist überflügelt wurde. Hört her, scheinen die Nasa-Mitarbeiter zu rufen: Gebt uns mehr Geld. Hört auf nur die Menschen zu ernähren, lasst sie auch mal wieder Träumen. Wir sind die Institution auf der sterbenden Erde, die eine Idee zu eurer Rettung hat. Auch ohne Budget, verbannt im Keller, sind wir trotzdem die Einzigen, die euch Retten können. Retten will Nolan auch sein geliebtes Filmformat. Während ein Großteil der Regisseure dieser Erde nur noch mit digitalen Aufnahmegeräten arbeitet, belichtet er immer noch das sterbende 35mm-Format. Ob es ihm seine Fans und Zuschauer honorieren werden, steht in den Sternen. Die ersten Boxoffice-Zahlen sind dem Hype entsprechend eher mäßig zu bewerten. Knappe 50 Millionen wird das Epos in den Staaten am ersten Wochenende einspielen. Die Kritiken sind gemischt, die Bewertungen der Zuschauer auch. Vielleicht hat der immer wieder als neuer Kubrick gepriesene Regisseur sich ein wenig übernommen. Vielleicht nicht. Die Zeit, wird es uns verraten.



Die komplette Pressekonferenz nach der Premiere in London: 



"FOX 5"-Interview mit Nolan zu Interstellar: 



"The Empire Film Podcast": Interstaller [Spoilers] 



Eyes on Cinema Interview mit Christopher + Jonathan Nolan, Jessica Chastain und Anne Hathaway 



80%


Text: Markus Breuer 
Fotos: Warner Bros.

Sonntag, 5. Oktober 2014

Gesichtet: A Walk Among the Tombstones

A Walk Among the Tombstones
Dt: Ruhet in Frieden

USA 2014
Regie: Scott Frank
Darsteller: Liam Neeson, Dan Stevens, David Harbour

Laufzeit: 114 Minuten 

IMDB Link


Boxoffice Link


Deutsche Filmseite: 

http://www.ruhetinfrieden-film.de/




Das hätte vor vor ein paar Jahren sicher niemand für möglich gehalten. Vor allem Liam Neeson selbst nicht. Mitte der Neunziger hat der gebürtige Ire das Angebot abgelehnt als James Bond in den Dienst ihrer Majestät zu treten. Er ist halt einfach nicht der Actiontyp! Pierce Brosnan übernahm. Und nun, mehr als ein Jahrzehnt später, waren es die Überredungskünste von "Leon der Profi"-Regisseur Luc Besson, die alles änderten. Als Neeson 2008 in die toughe Haut des ruppigen Ex-CIA-Agenten Bryan Mills in “Taken” schlüpfte und mit fiesen Einschüchterungen durchs Telefon nicht nur eine ganz besondere Gabe an Skills für den perfekten Anrufbeantworter-Text bewies, sondern quasi über Nacht auch die Kassen am Boxoffice explodieren ließ, ward eine neue Actionikone samt eigens kreiertem B-Movie-Genre geboren. Nach weiteren Baller-Hits wie “Taken 2”, "Unknown", “The Grey” oder “Non-Stop” soll es mit “A Walk Among the Tombstones” nun ein wenig morbider, intellektueller und vor allem sehr viel bedrückter zugehen. Ein wenig “Das Schweigen der Lämmer”, ein bisschen “Sieben” und eine Prise “8 mm” wurde Neeson in seinem neuen Film beigemischt.




Eines haben alle genannten Streifen gemeinsam: Sie spielen in den Neunziger Jahren. So auch “A Walk Among the Tombstones”: Was für ein scheiss Tag in New York. Erst streitet sich Polizist Matthew Scudder mit seinem Partner und dann ballern auch noch ein paar Jugendliche den Barkeeper über den Haufen, der ihm gerade noch sein Frühstücks-Gedeck mit einem Kaffee und 2 Whiskey Kurzen vor die Nase stellte. Scudder kann im Schnaps-Delirium gerade so seine Knarre zücken und verfolgt die drei Störenfriede durch die Stadt. Nach der Schiesserei, ist nichts mehr wie es war.

Als unlizensierter Privatdetektiv schlafwandwelt er nun auftragslos wie ein japanischer Ronin durch die letzten nicht gentrifizierten Gebiete Brooklyns voll von Grafitti und Müll, getränkt in schroffen Grautönen und in Panik vor dem bevorstehenden Millenium. Wir haben mittlerweile 1999. In der Bibliothek gibt es noch Röhrenmonitore, Kinder wissen mehr über das Internet als Erwachsene und nicht wirklich jeder hatte ein Handy. Zumindest Scudder nicht - ist einfach nicht sein Ding. Seine Detektivarbeit erledigt der wortkarge Mann zu Fuß, Befragungen gibt es nur Face to Face und als die Frau eines Drogenbosses von Sadisten zerstückelt aufgefunden wird, schaltet sich der Ex-Cop ein und macht sich auf die Suche nach den Gangstern. Doch fast wäre es nicht dazu gekommen: Als Liam Neeson das Drehbuch in der Hand hielt und eine Szene las, in der Scudder den vermeintlichen Entführer einer Minderjährigen durchs Telefon bedroht, wollte er das Ding wegwerfen. Zu sehr erinnert alles an seinen Action-Überraschungshit “Taken”. Doch zum Glück kam es anders. Er verleiht dem heruntergekommenen Ex-Polizisten viel Würde und eine gehörige Portion Coolness. Anstatt wild geschnittener Verfolgungsjagden und wirrer Karate-Action wird man in "Tombstones" mit beklemmender Stimmung und groteskem Humor an die Leinwand gefesselt. Und trotzdem ist eines sicher: Neeson ist einer der wenigen Schauspieler auf der Welt, der in seinen Filmen öfter telefonieren sollte. Diese Augen, die röchelnde bestimmende Stimme: Perfekt! 



Scudders besonderes Set an Skills beinhaltet hier den Umgang mit Stromschockern im Stresszustand, Bromance mit minderjährigen Bengeln und Shootout-Standfestigkeit auf Friedhöfen. Erfunden hat den nihilistischen Privatdetektiv Lawrence Block. Angelegt an Roman-Helden wie Sam Spade oder Philipp Marlowe trank und schoss sich Scudder seit 1979 mittlerweile durch 17 Bücher. In der Filmadaption ließen sich Regisseur Scott Frank und die Produzenten viel Freiraum. Zum einen haben Frauen nicht wirklich viel zu tun im "Tombstone”-Universum. Scudders Ehefrau wurde aus dem Skript gestrichen und die verbliebenen haben wenig zu sagen, meistens sind sie aber auch mit Kreischen und ihrem Überlebenskampf viel zu beschäftigt für den einen oder anderen Plausch. Anheuern würde man Scudder sicher nicht, mit dem grummeligen Detektiv kreierte Autor Block den eigentlich ungeeignetsten Ermittler, den die Literatur bis dahin gesehen hatte. Bei einer Veranstaltung brachte der Autor es selbst auf den Punkt.

“I'll tell you, if I were going to hire a private eye, Scudder's the last one I'd pick. He's either drunk or going to AA meetings, which leaves him with precious little time for work. His girlfriend's a hooker, and his best buddy is a career criminal and multiple murderer.”



Aber seine Klienten sind nun auch nicht wirklich die alltäglichsten Kunden. Genau wie Scudders Umfeld: Ein Obdachloser Lausbub (ein wenig fehl am Platz gespielt von Rapper Brian "Astro" Bradley), russische Koksmillionäre und Suizid-Gefährdete Taubenzüchter sind nicht die warmherzigsten Leute, die man um sich haben sollte. Wenn er nicht gerade auf der Bühne bei den anonymen Alkohlikern steht und über seine liquide Vergangenheit sinniert, sind es nun eben die "Gefallen an Freunden" die Scudder aus seiner Wohnung in die noir-getränkte Stadtlandschaft von New York locken. Mit einer gehörigen Portion Sadismus, farblosen Bildern und seiner Neunziger-Jahre Ästhetik grenzt sich "Ruhet in Frieden" wie der Streifen in den hiesigen Lichtspielhäusern heissen wird dabei von der restlichen Hollywood-Einheitsware an Actionstreifen ab. Doch mit 22 Millionen Dollar Einspiel in den USA und damit weit entfernt von der Goldgrube aller anderen Neeson-Genre-Filme, sieht es schlecht aus für die Verfilmung der restlichen Scudder-Romane. Hätte die schwermütige Stimmung mehr Resonanz hervorgerufen. Wer weiss? Vielleicht würde Scudder sogar seine Frau wieder bekommen und Neeson von seinem B-Movie-Fame wieder Richtung A- wandern. 



Genausoviel Pech hatte 1986 Jeff Bridges als er in "8 Million Ways to Die" in die von Alkohol getränkten Eingeweide Scudders aufweichte. Der Thriller von "Harold und Maude" Regisser Hal Ashby bot neben einer ausufernden Performance eines noch sehr jungen und mit Pferdeschwanz an den frühen Steven Seagal erinnernden Andy Garcia, buntes Los-Angeles-Koks-Flair und einen minimalistischen Showdown auf einem Miniatur "Angels-Flight" Rolltreppen-System, dass in den Eingang einer Luxusvilla fuhr. Ashbys letzter Kinofilm und quasi sein Karriere-Aus blieb von den Kinogängern der Achtziger Jahre quasi unentdeckt. Vielleicht sind Lawrence Blocks Scudder-Romane ja auch unfilmbar und Massenuntauglich. Eine gute Option sich eventuell mal wieder mit einem Buch in der Hand hinzusetzen und zu Lesen. 


60%


Mehr von Liam Neeson 


- Interview: Zu Taken 2 

- Review: TAKEN 2 
- UNKNOWN IDENTITY 

Liam Neeson Killcount Map: 





Jeff Bridges als Matthew Scudder in "8 Million Ways To Die" 




Neeson im "Bad Ass"-Interview zu "Tombstones" 




Neeson über seine Rolle in "Walk Among The Tombstones" 




Trailer: 





Mittwoch, 29. Mai 2013

Gesichtet: Hangover III + Fast & The Furious 6 -- The Bromance May




„Wann ist ein Mann ein Mann“: Nicht nur Rocker Herbert Grönemeyer fragt sich das immer wieder. Männer weinen heimlich, Männer haben Muskeln, Männer brauchen viel Zärtlichkeit. (Wir empfehlen, den Text am besten mit folgendem Song im Hintergrund zu lesen...)


Glaubt man den neuesten Hollywood-Fließband-Blockbustern und Jugend-Vorbilds-Streifen „Fast and the Furious VI“ und „HangoverIII“ welche gerade im Kino gestartet sind, gehören nicht nur laute und schnelle Autos sowie eine gehörige Portion Bromance dazu, nein es sind vor allem auch die gemeinsamen Ziele die zusammen schweißen. Das und verdammt viel lüsterne Homoerotik! 



In „Hangover 3“ wird das verbale Vorspiel dermaßen auf die Spitze getrieben, dass man kaum noch miteinander spricht, sondern direkt anfängt zu flirten. „Vielleicht solltest du besser dein Shirt ausziehen“ haucht der debile Alan mit seiner zarten Stimme Schönling Phil zu als der mit seiner geballten Manneskraft einen riesigen Hammer durch die Luft wirbelt, während die anderen ihm liebestoll dabei zuschauen. Das „Wolfsrudel“ wie sich die Bezugsgruppe ganz niedlich nennt, ist zum ersten Mal weder besoffen noch unter Drogeneinfluss und dementsprechend auch meilenweit von einem Hangover entfernt, dafür müssen sich die vier Freunde mit Gangster Chow herumschlagen, der wie echte Männer nun mal so sind, andauernd anbietet den einen oder anderen Schwanz der Hauptdarsteller zu lutschen und mal ganz ehrlich: Die knisternde Mannes-Wollust ist im dritten Teil der Saga so prägnant dahinbrodelnd, dass das Fass gerne überlaufen könnte. 



Zieht euch doch einfach alle aus und blast und fickt euch das Hirn raus, will man immer wieder schreien, während die Charaktere durch ein doch recht spannungsloses und unwitziges Drehbuch schlafwandeln. Apropos Schlafwandeln: auch bei "Fast 6" stimmt so einiges mit der Motivation der Figuren nicht. Hier haben alle jedoch so viel Humor um sich selbst auf die Schippe zu nehmen. „Versteckt das Babyöl“ wird propagiert, wenn Dwayne „The Samoan Thor“ Johnson in den Raum trampelt oder einfach nur total tuntig mit den Händen angelehnt an seiner Hüfte am Filmset herumsteht, und nicht genau weiß was eigentlich gerade los ist. 


Immer schön die Hände an die Hüfte / Wer groß sein, will muss fressen!!

„Hört auf damit“ ruft er einmal in eine gelangweilte Gruppe. Womit? Das weiß keiner so genau. Ist ja auch egal, bald fliegt wieder was in die Luft. Johnsons gigantischer Muskelberg von Körper zum Beispiel, der wird von einem sehr engem T-Shirt im Zaun gehalten. Allerdings spannt der Textilfetzen so sehr, dass es immer wieder so aussieht, als würde das Shirt dem Druck nicht gewachsen sein und The Rock selbst gleich explodieren. 



Jeder Gay-Porno hat sicherlich mehr an Handlung zu bieten, als beide Filme zusammen. Irgendwie geht es beim „Furious-Streifen“ darum Lette – die im 3. oder 1. oder 20. Teil schon längst gestorben ist, nun aber inklusive Amnesie von den Toten zurückgekehrt, wieder zu ihrer „Familie“ geholt werden soll; denn das ist das wichtigste Credo des Films: „Nichts geht über die Familie“. Die Hangover-Boys versuchen derweil ein gekidnapptes Mitglied ihres Wolfsrudels zu befreien und darüber hinaus Gold von Mega-Gangster Marshall alias John Goodman zurück zu holen. 



Während Dwayne Johnson seine Rasselbande mit der Drohung „Hier riecht's nach Arschtritt“ noch bezähmen kann, steckt der wilde Asiate Chow seine Nase gleich direkt in Stu's Hintern. Macht aber auch Sinn, echte Männer brechen nun mal eben als Cosplay-Hündchen mit Fetisch-Nieten-Lederhalsbändern bewaffnet, auf allen Vieren torkelnd, in eine tijuanische Villa ein. Wenn das kein Male-Bonding ist. Gebunden wird sich auch bei den toughen Boys des Auto-Baller-Streifens. Wenn gegen Ende Dwayne Johnson und Vin Diesel im Tag-Team einen Bösewicht-Hühnen den Gar aus machen, gibt man voller Euphorie auch mal seinem Sitznachbarn High Five. 

Doch nach all den Abenteuern die man miteinander erlebt, egal ob man nun gemeinsam in Las Vegas vom Ceasars Palace abseilt, oder in den Londoner U-Bahn zu zweit von einem Martial-Arts-Kämpfer nieder gemacht wird, am Ende, tja am Ende... da ist man doch an die Konventionen der heterosexuellen Weltanschauung gebunden. "Fast & Furious 6" endet nicht in einem glitschigen Muskelberg-Einöl-Marathon, sondern bei einem männlich, saftigen BBQ im Hinterhof. Und auch beim finalen Teil der „Hangover“-Trilogie gibt es zum Schluss kein prickelndes Male-Blowjob-Fest, hier wird ganz konservativ geheiratet. Noch schlimmer (Achtung Spoiler): Das Wolfsrudel löst sich auf um in der von verklemmten Heten regierten Welt zu bestehen. Doch wann ist denn ein Mann nun heutzutage ein Mann? Wann ist ein Mann ein Mann? Wann ist ein Mann ein Mann?         

Text: Markus Breuer 
Fotos: Promo/Verleih 

Hangover III                              20% 
The Fast & The Furious VI           40%


Trailershow: