Interstellar
USA 2014
Regie: Christopher Nolan
Darsteller: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Michael Caine, Jessica Chastain
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Auf
Regisseur Christopher Nolan lastet ein immenser Erfolgsdruck: Mit
“Inception” hat der gebürtige Brite das Unterbewusstsein in
einen Actionthriller verwandelt, in “Memento” die Regeln der
Erzählstruktur auf den Kopf gestellt und mit seiner “Dark
Knight”-Trilogie 2.5 Milliarden Dollar Umsatz gemacht. Nolan ist
einer von sehr wenigen Regisseuren, die in Hollywood eine Wildcart
besitzen, nicht viele können in ein Meeting mit erfolgsorientierten
Studiobossen gehen und mit 200 Millionen Dollar wieder raus kommen.
Doch für die mächtigen Studios, muss sich die Investition auch
rechnen. Trotzdem: Wenn es ihm in den Sinn kommen würde, könnte er
das Telefonbuch verfilmen. In 3 Teilen. A - H, I - K und L - Z.
Budget? 1 Milliarde! Wieso eigentlich nicht. Was macht er aber nach
seinem „Batman“-Superhelden-Hit? Etwas was sich kaum noch jemand
in Hollywood traut. Während gängige Blockbuster jenseits der 100
Millionengrenze auf mindestens zwei gleich große Fortsetzungen, eine
Videospieladaption und unzählige Spielzeug-Verträge ausgelegt
werden, auf Bestseller basieren sollten oder nur weitere Fußabdrücke
der Prequel, Sequel & Remake-Manie sind, hat sich Chris Nolan für
eine originelle Science Fiction Story entschieden. Und nicht nur das.
Mit Physikprofessor Kip Thorne als Koproduzent, der als Berater mit
am Drehbuch schrieb und seine Theorien mit einfließen ließ, geht
die Tendenz eher in Richtung Science als Fiction.
Lassen wir Kip seine Raumtheorie mal selbst erklären...
Doch taugt das 3
stündige „Interstellar“ Astrophysikseminar überhaupt was? Oh
ja! Während einen Wurmlochtheorien, Singularitäts-Hypothesen &
schwarze Löcher um die Ohren fliegen, ist der Exkurs ins Weltall
durch die Beziehungen der Hauptdarsteller sehr emotional auf unseren
Heimatplaneten geerdet und nicht nur obligatorisches
Deepspace-Eye-Candy.
Das
epische Abenteuer startet in einer Zukunft, die wie unsere
Vergangenheit daher kommt. Maisfarmer Cooper (wer braucht schon einen
Vornamen) lebt mit seiner Familie im verstaubten Amerika. Die Nahrung
des einst so ergiebigen Planeten geht Zuneige und so langsam muss
sich die Menschheit wohl auf ihre Ausrottung gefasst machen. Die
Holzhütten-Farm, die Mode der Protagonisten (Holzfällerhemden und
Jeans), verstaubte Bücher im Wohnzimmer. Man fühlt sich als würde
man in den dreißiger Jahren aufgewacht sein, im ersten Drittel fällt
kaum auf, dass der Streifen einige Jahre in der dystopischen Ferne
spielt. Doch, das ist natürlich pure Absicht. Holen wir zum besseren
Verständnis ein bisschen weiter aus.
Amerika in den 30iger Jahren. Quatsch! In der nicht allzu fernen Zukunft... |
Irgendwann
im Frühjahr 2013, nach einer stundenlangen Autofahrt durch die
unendlichen Weiten der isländischen Gletscher- und Berglandschaft,
stand Regisseur Christopher Nolan mit seinem Team an einem See. In
der ferne schimmerte ein Fels empor und das Filmteam versammelte sich
am Wasserrand. Plötzlich zog sich der Brite die Schuhe aus und
watschte durch das matschige Nass gen Felsvorsprung. Seine
Crewmitglieder, darunter Cinematographer van Hoytema („Let The
Right One In“, Nachfolger von Kollege Wally Pfister, der sich mit
der Sci-Fi-Gurke „Transcendense“ in den Regiestuhl verabschiedet
hat und damit nicht mehr Nolans Nummer eins in Sachen Bildgestaltung
ist) guckten sich verdutzt an. Was hat der vor? Wo will er hin? Egal,
auch sie zogen alle ihre Schuhe aus und folgten ihm. Genauso wie wir
uns jetzt Nolans Abenteuer im Weltraum anschliessen werden. Was hat
er vor? Wenn bei einem Baseballspiel plötzlich eine gigantische
Sandwolke gen Sportplatz weht. Die aus dem Untergrund agierende Nasa
einen Plan ausheckt um die Menschheit zu retten und Matthew
McCounaghey ein Raumschiff Richtung Schwarzes Loch steuert. Eins ist
klar, unsere Aufmerksamkeit hat er und viele Nolan-Jünger werden ihm
folgen. Der isländische Fels war dem Regisseur übrigens zu klein
und so zog er mit seiner Crew weiter. Doch, wie kam es zu diesem
Ausflug?
Nolans
Reise in die Galaxis startete mit seinem Bruder Jonathan. Der
werkelte schon seit ein paar Jahren für Paramount Pictures an einem
Drehbuch, dass Kip Thornes Theorien über den gekrümmten Raum und
die verbogene Zeit in einem epischen Projekt auf die große Leinwand
hieven sollte. Im Regiestuhl? Steven Spielberg! “Ich wollte den
Film starten lassen wie einen Spielberg Film der frühen Achtziger.
Aber nicht wie damals, sondern wie er heute aussehen würde”
verriet Nolan im Empire Magazine und würdigt damit den eigentlichen
Regisseur. Der hatte sich anderen Aufgaben gewidmet und gönnte sich
unter anderem einen Ausflug nach Berlin. Dort spaziert Spielberg
gerade mit Tom Hanks durch Mitte, da bald die Berliner Dreharbeiten
für einen Agententhriller anlaufen, der sich um den
Gefangenenaustausch an der Glienicker Brücke dreht. Es musste also
jemand anderes für die unendlichen Weiten des Weltraums gefunden
werden. Jonathan erzählte seinem Bruder von dem Drehbuch und der
hatte gleich ein paar neue Ideen für das Skript. Den ersten Teil
ließ er in dem Spirit, doch sobald es in den Weltraum geht, sind wir
in Nolans Kopf angekommen. Worum geht’s? Keine geringere Aufgabe
als die Rettung der Menschheit wird einer Handvoll Leuten übertragen.
Doch
bevor die Rakete mit Anne Hatheway, Matthew McConnaughey (dessen
Charakter Cooper eine Anspielung auf Testpilot und Nasa-Flugpionier
Gordon Cooper ist, der als einer der ersten Astronauten in die
Erdumlaufbahn geschossen wurde) und David Giyasi an Bord die Erde
verlassen konnte, musste Nolan noch einen guten Freund um Rat fragen.
Als er Über-Komponist Hans Zimmer konsultierte, war der gerade
dabei, den neuesten Supermanfilm zu vertonen. Die unkonventionelle
Anfrage?
"So,
Hans, if I wrote one page of something, didn’t tell you what it was
about, just give you one page, would you give me one day of work?
Whatever you came up with on that one day would be fine!"
Zimmer
sagte zu und hatte ein paar Tage später einen Umschlag in seinem
Briefkasten. Mit Schreibmachine getippt. Auf dem Papier stand eine
Kurzgeschichte über einen Vater, der sein Kind aufgrund eines
wichtigen Jobs verlassen muss. Einen Tag später ließ der Komponist
wissen, er wäre soweit. Nolan war gespannt. Setzte sich in sein Auto
und fuhr direkt los. Angekommen spielte Zimmer den Track vor, drehte
sich um und sah Nolan in seinem Bürostuhl sitzen. “Jetzt muss ich
den Film machen” sagte er überzeugt. “Klar, aber was für einen
Film” wollte Zimmer wissen. Dann fing er an diese ganze Geschichte
über die Rettung der Menschheit, den Weltraum, die Theorien etc. zu
erklären und Zimmer antwortete: “aber ich hab dir doch nur ein
kleines, sehr persönliches Stück geschrieben”. “Ja, aber jetzt
weiss ich wo das Herz des Films ist”. Das Herz, das ist Coopers
Tochter Murph, die auf der von Tag zu Tag immer unbewohnbareren Erde
zurückgelassen wird, als es für die „Interstellar“-Astronauten
Richtung deep space geht.
Per Nolan in die Galaxis: Hier mit seinem Hauptdarsteller am Set... |
Auf
der Suche nach einem Ersatzplaneten und getreu dem Grundsatz von
Murphys Law, geht alles was auch nur auf dem Trip schiefgehen kann,
natürlich wirklich schief. So knallbunt wie die gängigen
Superhelden-Sagen wo es sonst um die Rettung der Erdenbewohner geht,
ist Interstellar jedoch nicht, doch Nolan traut sich viel. Von
Überraschungen bei der Auswahl seiner Nebendarsteller, einer
gigantischen Explosion im All bei dem er die Soundeffekte stumm
stellt, auf der einen, und einem glockenhellen
Hans-Zimmer-Bombast-Soundtrack auf der anderen Seite. Schnelle
MTV-Ästhetik sucht man vergebens, jede noch so kleine Szene ist bis
ins Detail ausgearbeitet und keiner der zahlreichen Effekte wurde im
Greenscreen gebastelt. Von Erdähnlichen Planeten, über gigantische
schwarze Löcher und allem was wir auf dem Spaziergang ins All noch
begegnen, arbeitete Nolan am Set mit Hochleistungs-Beamern, die den
Weltraum und die interstellaren Sterne und Planeten direkt an die
Studiowand holten.
Ob
zum Saturn oder in eine komplett andere Galaxie. Die entstandenen
IMAX-Bilder lassen den Zuschauer direkt an dem Spektakel teilhaben.
Allerdings ist die 70mm Kopie auf der der Streifen gedreht wurde in
Deutschland nur auf 2 Kinoleinwänden zu sehen. Eine davon im Berliner Sony Center.
Alle anderen bekommen die digitale Imax-Version, die Nolan kurz vor
dem Kinostart in eigener Aufsicht noch mal remasterte, vorgesetzt. Der Hype ist trotzdem kaum zu bändigen. Schon vor dem Dreh waren die
Studios so wild auf die finanzielle Auswertung des Projekts, dass
Warner Bros. zum Beispiel einen Deal mit einem eher unkonventionellem
Tauschpaket abschloss. Warners Rechte an der Erfolgs-Slasher-Serie
“Freitag der 13.” und die Schimpfmäuler von “South Park”
wurden gegen die internationale Auswertung des Science-Fiction-Film
getauscht. Mit der Prämisse, dass in den nächsten 5 Jahren "Freddy" +
"South Park" Filme unter Paramount Pictures entstehen, bei dem
"Interstellar" eigentlich exklusiv im Vertrag war. Ein so großes
Potential und Vertrauen wird einem originellem Sci-Fi-Abenteuer nicht
jeden Tag zugesprochen. Zumal der Film mit seiner Überlänge von
knapp 3 Stunden und keiner Aussicht auf Sequels auf den ersten Blick
nicht allzu große Chancen haben sollte. Irgendwie hat es Nolan aber
geschafft seinen eigenen Namen als Qualitäts-Marke zu etablieren und
nach „Inception“, der gigantische 800 Millionen einspielte, will
Warner ein Stück vom Kuchen ab haben.
Doch,
wobei „Inception“ noch mit wilden Verfolgungsjagden durchs
Unterbewusstsein, zumindest für die jüngere Generation, ausreichend
Action bot, verlangt der viel ernstere „Interstellar“ sehr viel
Aufmerksamkeit von seinem Publikum. Nach dem Presse-Screening fühlten
sich viele der Journalisten etwas „lost in space“ nachdem sie den Physik-Theorien nicht immer folgen konnten, während
andere von den emotionalen Teilen der Geschichte überrumpelt wurden.
Nicht jeder wird einen Zugang in die Story finden. Neben der Physik,
nimmt sich "Interstellar" viel Zeit für philosophische
Grundsatzfragen. Wie stark ist unser Überlebensdrang? Ist der größte Feind der Menschheit, nicht der Mensch selbst? Wie stark bindet Liebe? Eine Mammut-Aufgabe für einen Science-Fiction-Film die es schaffte den einen oder anderen eine Träne zu entlocken, wobei andere die emotionale Ebene zu kitschig und
unausgereift fanden. Dennoch, manchmal scheint sie in den frühen Minuten
des Films hervor, diese Spielberg-Magie und man fragt sich, was wohl
der eigentliche Regisseur aus dem Stoff gemacht hätte. Mit den
Klassikern des Altmeisters, kann sich Nolans Space-Oper trotzdem nicht messen,
sie ist einfach zu Erwachsen. Das muss nicht schlecht sein, wenn ein
Multimillionen-Hollywood-Blockbuster auch mal den Kopf der
Rezipienten anstrengt.
Doch sind die Synapsen der potentiellen Zielgruppe mit schnellen, wirren Schnitten und explodierenden “Bayham”-Konfettibomben noch so arg belastet, dass nach dem Abspann, zwei von fünf Leuten eher gähnend den Saal verlassen werden und nicht wissen was in diesen 169 Minuten-Abenteuer eigentlich alles passiert ist. Echauffieren kann man sich auch an der Tatsache, dass das Wohlergehen der Menschen mal wieder ausschließlich von einer Handvoll Amerikaner abhängt. Es scheint fast so, als würde die komplette Menschheit nur in dem vom Kolumbus entdeckten Areal auffindbar sein. Asien, Europa oder gar Südamerika wirken gespenstisch abstinent.
Auch eine uramerikanische Institution scheint sich groß in die Ideen und Handlungsstränge des Films eingekauft zu haben. Streckenweise erscheint die Handlung wie ein Hilferuf der Nasa, die in den letzten Jahren nicht nur immer wieder mit Budgetkürzungen zu kämpfen hat, sondern oft schon durch private Firmen in ihrem Pioniergeist überflügelt wurde. Hört her, scheinen die Nasa-Mitarbeiter zu rufen: Gebt uns mehr Geld. Hört auf nur die Menschen zu ernähren, lasst sie auch mal wieder Träumen. Wir sind die Institution auf der sterbenden Erde, die eine Idee zu eurer Rettung hat. Auch ohne Budget, verbannt im Keller, sind wir trotzdem die Einzigen, die euch Retten können. Retten will Nolan auch sein geliebtes Filmformat. Während ein Großteil der Regisseure dieser Erde nur noch mit digitalen Aufnahmegeräten arbeitet, belichtet er immer noch das sterbende 35mm-Format. Ob es ihm seine Fans und Zuschauer honorieren werden, steht in den Sternen. Die ersten Boxoffice-Zahlen sind dem Hype entsprechend eher mäßig zu bewerten. Knappe 50 Millionen wird das Epos in den Staaten am ersten Wochenende einspielen. Die Kritiken sind gemischt, die Bewertungen der Zuschauer auch. Vielleicht hat der immer wieder als neuer Kubrick gepriesene Regisseur sich ein wenig übernommen. Vielleicht nicht. Die Zeit, wird es uns verraten.
Doch sind die Synapsen der potentiellen Zielgruppe mit schnellen, wirren Schnitten und explodierenden “Bayham”-Konfettibomben noch so arg belastet, dass nach dem Abspann, zwei von fünf Leuten eher gähnend den Saal verlassen werden und nicht wissen was in diesen 169 Minuten-Abenteuer eigentlich alles passiert ist. Echauffieren kann man sich auch an der Tatsache, dass das Wohlergehen der Menschen mal wieder ausschließlich von einer Handvoll Amerikaner abhängt. Es scheint fast so, als würde die komplette Menschheit nur in dem vom Kolumbus entdeckten Areal auffindbar sein. Asien, Europa oder gar Südamerika wirken gespenstisch abstinent.
Auch eine uramerikanische Institution scheint sich groß in die Ideen und Handlungsstränge des Films eingekauft zu haben. Streckenweise erscheint die Handlung wie ein Hilferuf der Nasa, die in den letzten Jahren nicht nur immer wieder mit Budgetkürzungen zu kämpfen hat, sondern oft schon durch private Firmen in ihrem Pioniergeist überflügelt wurde. Hört her, scheinen die Nasa-Mitarbeiter zu rufen: Gebt uns mehr Geld. Hört auf nur die Menschen zu ernähren, lasst sie auch mal wieder Träumen. Wir sind die Institution auf der sterbenden Erde, die eine Idee zu eurer Rettung hat. Auch ohne Budget, verbannt im Keller, sind wir trotzdem die Einzigen, die euch Retten können. Retten will Nolan auch sein geliebtes Filmformat. Während ein Großteil der Regisseure dieser Erde nur noch mit digitalen Aufnahmegeräten arbeitet, belichtet er immer noch das sterbende 35mm-Format. Ob es ihm seine Fans und Zuschauer honorieren werden, steht in den Sternen. Die ersten Boxoffice-Zahlen sind dem Hype entsprechend eher mäßig zu bewerten. Knappe 50 Millionen wird das Epos in den Staaten am ersten Wochenende einspielen. Die Kritiken sind gemischt, die Bewertungen der Zuschauer auch. Vielleicht hat der immer wieder als neuer Kubrick gepriesene Regisseur sich ein wenig übernommen. Vielleicht nicht. Die Zeit, wird es uns verraten.
Die komplette Pressekonferenz nach der Premiere in London:
"FOX 5"-Interview mit Nolan zu Interstellar:
"The Empire Film Podcast": Interstaller [Spoilers]
Eyes on Cinema Interview mit Christopher + Jonathan Nolan, Jessica Chastain und Anne Hathaway
80%"FOX 5"-Interview mit Nolan zu Interstellar:
"The Empire Film Podcast": Interstaller [Spoilers]
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Text: Markus Breuer
Fotos: Warner Bros.
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