Freitag, 28. Dezember 2012

Der Italo-Western





Das Genre des Italo-Western boomte seit 1964 bis in die Mitte der Siebziger Jahre hinein. Dabei entstanden rund 500 Streifen. Als die alten Monumentalfilme kein Publikum mehr fanden und die italienische Filmindustrie den plötzlichen Erfolg deutscher Karl-May-Verfilmungen zu kontern versuchte, wollten die Leute einfach andere Filme sehen. “Die Amerikaner drehen schon lange nicht mehr, was den Leuten gefällt”, erklärte Regisseur Sergio Leone 1966. “Darum haben wir etwas neues versucht” (Der Spiegel Nr.23/1966).






Den Thron der “Spaghetti-Western”-Regisseure teilten sich Duccio Tessari, Sergio Corbucci und Sergio Leone. Der Erfolg kam mit “Für eine Handvoll Dollar”: Eine Geschichte zweier Familien, die sich gegenseitig aus der Western-Welt schießen. Die Regie hatte ein unbekannter Namens Bob Robertson übernommen, dabei handelte es sich eigentlich um Leone der sich erst zu erkennen gab, nachdem sein Werk von der Presse als “König der italienischen Western” ausgerufen worden war.




Sergio Leone und Clint Eastwood am Set von "Für eine Handvoll Dollar"


Das Drehbuch schrieb der Italiener damals in nur 5 Tagen, da es sich dabei eigentlich um Akira Kurosawas “Yojimbo” handelte und Leone ihn nicht mal erwähnte, folgten jedoch langwierige Rechtsstreite. Man einigte sich auf 15% aller Einnahmen für Kurosawas Vorlage. Da Maximilian Schell sich zu schade war, wurde Clint Eastwood unrasiert und mit Zigarre im Mund über Nacht zum Star. Der Film wurde ein Smash-Hit. Der Nachfolger “Für ein paar Dollar mehr” spülte noch mehr Geld in die Kinokassen und der dritte Film “Zwei Glorreiche Halunken” übertraf die beiden Filme bei weitem. Leone hatte Glück. Sein Monumental-Schinken-Vorgänger “Der Koloss von Rhodos” lag ihm noch fad im Nacken. Der teure Film ruinierte 1961 fast das damalige Produktionsstudio.





Corbucci wollte einen ähnlichen Helden kreieren, den sich Sergio Leone mit Clint Eastwood erschaffen hatte. Am Ende war es ein Foto, dass die Produzenten auf Franco Nero aufmerksam machte. Nur eines wollte der damalige Theaterstar unbedingt in den Film einbringen. “Ich heisse Nero… ich will komplett in Schwarz gekleidet sein”, wies er an. “Django” war geboren. Verschlossen, finstern, wortkarg bis zur klinischen Stummheit. Den Hut tief ins Gesicht gezogen. Aufreizend lässige, träge Bewegungen. Ein Mann den sein Job geprägt hat: zu töten. Darin ist er der Größte, Schnellste, Sicherste. Django zieht immer zuletzt und bringt doch alle um. Hunderte Nacharmer folgten. Jüngst auch Quentin Tarantino, der mit seinem aktuellen Film “Django Unchained” den Italo-Western mit dem Blaxploitation-Film verbindet.




Vor allem die Gewaltdarstellungen wurden dabei immer drastischer. “Die Leichen”, sagt Regisseur Duccio Tessari, “müssen noch voll mit Blei gepumpt werden, denn diese Letzten Kugeln machen den Leuten am meisten Spaß. Wir haben in einem Jahr mehr Munition verbraucht als (der amerikanische Westernregisseur) John Ford in 30 Jahren”. (Der Spiegel Nr. 23/1966) Corbucci, der in drei Monaten auch mal locker drei Filme abdrehte, erörtert “Ach ja, der Erfolg. Ich glaube es ist der gegenwärtige Zeitgeist den wir bedienen. Ein Zeitgest der von Gewalt bestimmt wird. Gewalt nur um der Gewalt wegen. Ich glaube dies macht auch den Erfolg der James-Bond-Filme aus”. “In meinen Filmen töte ich mehr Menschen als Nero und Caligula zusammen. Es wird schwer sich immer neue Methoden aus zu denken”.



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Leone wies dagegen darauf hin: “Die Gewalt in meinen Filmen ist harmlos, verglichen mit dem was wirklich geschah”. Die blutgetränkten Streifen zogen ihren roten Faden dennoch mit immer mehr Erfolg durch den gängigen Kino-Kanon. Nun wurden auch die Amerikaner aufmerksam und holten Leone in die Staaten. Mit einem Budget von 2,5 Millionen Dollar drehte er das mittlerweile als Meilenstein der Filmgeschichte anerkannte Meisterwerk “Spiel mit das Lied vom Tod”. 



Der Kino-Veteran Henry Fonda, sonst gewöhnlich als lonesome rider tragisch zu Pferde wurde als harter Killer Frank besetzt, Claudia Cardinale als Gegenstück einer blonden Pioniersfrau. Für die damalige Presse ein komplettes Desaster. “Und weil sein Rezept Grausamkeit als Selbstzweck heißt, nimmt der Regisseur auch die Zuschauer bei der Folter nicht aus: Minutenlang verharrt die Kamera auf dem Kinn eines Banditen, über das eine lästige Fliege krabbelt. Für nichts und wieder nichts” schrieb Der Spiegel. In Der Zeit wurde der Film unter “Ferner läuft” wie folgt beschrieben: Seine zweieinhalb Stunden braucht der Film, um Langeweile als Stilprinzip praktizieren zu können. Ununterbrochen passiert gar nichts, und wenn doch was passiert, ist es beliebig, ebensogut könnte ganz etwas anderes passieren. Ereignisse und Bilder werden dem Zuschauer um die Ohren geschlagen, zu sehen, zu entdecken bekommt er nichts. Und gerade daran soll er seine Freude haben: daß ihm die Verachtung gezeigt wird, die ihm die Filmmacher entgegenbringen.” 

Dennoch, knapp 13 Millionen Menschen rannten allein in Deutschland in die Lichtspielhäuser. In den USA wurde der Film auf eine kürzere Version geschnitten, bei der Kohärenz-Fehler auftraten. Er floppte an den US-Kinokassen, spielte weltweit aber über 60 Millionen Dollar ein. Ein Mega-Hit für damalige Verhältnisse. Mittlerweile ist “Spiel mir das Lied vom Tod” der Kultfilm schlechthin und als Meisterwerk des Western-Genre weltweit anerkannt.
Doch die Regisseure wurden müde und die Zuschauer langsam auch. Immer dasselbe zu produzieren und dabei von den intelektuellen Kritikern ignoriert zu werden, nagte am Ego. “Dialoge sind im Western nicht so wichtig”, erklärt Corbucci. “Wir haben hier Franzosen, Amerikaner, Italiener.” “Es ist für die meisten Schauspieler besser zu zählen.” “Der Franzose sagt “quatre” oder “trois”, der Engländer “one” und das heißt soviel wie “ja”. Es kann aber auch was ganz anderes heißen, es ist scheiß egal. Deshalb hasse ich den Western. Die Gewalt nahm den Western alle “psychologische und patriotische Romantik”. “Unsere Filme sind absolut sadistisch. Ich hoffe, das alles hat bald ein Ende.” Die Antwort ist “nein” und das ist auch gut so. 

Interessant: 

Morricones verlorenes Interview: 


Dokumentation "Der Italo-Western": 


Dokumenation "Leichen pflastern seinen Ruhm" (1972):




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