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Freitag, 28. Dezember 2012

Gesichtet: Django Unchained

Django Unchained
USA 2012
Regie: Quentin Tarantino
Darsteller: Christoph Waltz, Jamie Foxx, Leonardo DiCaprio, Samuel L. Jackson
Filmstart: 18. Januar 2013


rottentomatoes: 89%

homepage: link







Eine Sandwüste. Tageslicht, verbrannte Erde. Die Augen brennen im grellen Sonnenlicht. Im Hintergrund ein schwarzer Punkt. Ein Mann, der sich durch die Wüste schleppt. Die glockenhelle Filmmusik von Ennio Morricone posaunt von der Leinwand. 



Lässig hängt ein Seil über seiner Schulter an dessen Ende ein riesiger Holzsarg befestigt ist. Den Tod schleift Filmheld Django immer mit sich herum. Eine Last die so einige Überraschungen barg. Quasi über Nacht machte „Django“ Schauspieler Franco Nero 1966 berühmt. Der ultra brutale Italo-Western, der bis in die Neunziger Jahre hinein in England auf der Verbotsliste stand, in Deutschland erst 2006 mit der DVD-Veröffentlichung erstmals ungeschnitten zu sehen war und hunderte Nacharmer inspirierte (darunter auch den 2007 entstandenen japanischen Exploitation-Streifen "Sukiyaki Western Django" von Extrem-Regisseur Takashi Miike, bei dem Quentin Tarantino selbst als Schauspieler eine große Rolle inne hatte) ist längst zum Kult geworden. Ein Film, der ein ganzes Genre erwecken sollte. Der blutgetränkte "Spaghetti-Western" war geboren. Mit den aalglatten, mutigen und sauberen Cowboys vom Kaliber eines John Wayne hatten die Charaktere nichts mehr zu tun. Zwielichtige Helden, unrasierte Banditen und dreckige Killer standen in den Startlöchern. Clint Eastwood, Lee van Cleef, Klaus Kinski und Terence Hill wurden zu Mega-Stars.




Neben den Sergio-Leone-Western, war der schonungslosere “Django” so populär geworden, dass bis Heute über Hundert Filme existieren (laut der Filmdatenbank imdb sind es sogar 156) die alle den Namen des schiesswütigen Helden im Titel vorweisen, aber so gesehen nichts mit dem eigentlichen Franco-Nero-Film zu tun haben. Es wurde nicht mal probiert, den Charakter ähnlich dar zu stellen. Oft heißt im Film nicht mal jemand Django. Man hat den Namen einfach als profitversprechenden Werbeträger in die Titel gepackt und sich einen Mehrwert erhofft. Auch Quentin Tarantinos neuester Streifen “Django Unchained” reiht sich nun in die lange Schlange der “Django”-Rip-Offs ein. Und nur so viel vorweg: Dem Regie-Star mit dem enzyklopädischen Genre-Wissen ist ein vor Filmzitaten strotzendes Popkultur-Epos gelungen.


Foto: Sony Pictures Releasing 2012


Es ist ein widerliches Thema, dass sich Tarantino als Subtext vorgenommen hat. In Ketten gelegte Männer, nackte Frauen die als Strafe in einer “Hot Box” eingesperrt, der Sonne ausgesetzt sind, wie Tiere werden die Sklaven in sogenannten „Mandingo“-Kämpfen aufeinander los gelassen. Schwarze bei lebendigem Leibe von Hunden zerfetzt. Und doch ist dies auch der realistischste Streifen den Tarantinos jeh gedreht hat. Noch nie wurde die barbarische Geschichte des ausbeuterischen Amerikas, welche die Grundlagen für den Wohlstand einer Weltmacht legte, so detailgetreu und rigoros auf der großen Leinwand gezeigt. Ja, die Südstaaten waren nicht gerade der liberalste Ort, den man im 19. Jahrhundert auf dem Erdball aufsuchen konnte.


Trotzdem verschlug es den Düsseldorfer Zahnarzt Doktor King Schultz (grandios: Christoph Waltz) in den Süden der heutigen USA. 1858, so ganz ohne Praxisgebühr und Zusatzleistungen, scheint das Kopfgeldjäger-Business lukrativer als jedwede Dentalbehandlung zu sein und so macht sich Schultz im Auftrag der Regierung einen Namen als zuverlässiger Killer. Erst braucht er den ehemaligen Sklaven Django nur um seine potentiellen Opfer zu identifizieren. Allerdings “Weiße umbringen und dafür auch noch bezahlt zu werden” steht auch unserem Helden ganz gut. Die beiden werden Partner und schließlich Freunde. Doch eines wurmt Django noch. Seine Frau Broomhilda von Shaft (sexy eyecandy: Karry Washington) sitzt als Hausmädchen auf der Wollfarm des diabolischen Calvin Candie (teuflisch: Leonardo DiCaprio) fest. Der pseudo frankophile (versteht kein Wort Französisch) Großverdiener lässt sein Hab und Gut aber nicht einfach so mit den beiden Heuchlern, die sich angeblich im “Mandingo”-Business verdient machen wollen, mit der Dame von dannen ziehen. Damit Django gemeinsam mit “Hildi” in den Sonnenutnergang reiten kann, muss Calvin überlistet werden.




Man merkt es schon in den ersten Minuten. Tarantino ist total verschossen in seine Figuren, seine elegant konstruierten Szenen, Sätze, Wörter. Man kann ihn sich richtig vorstellen – über beide Ohren grinsend – zu Hause sitzend. Den Stift in der Hand, das Blatt Papier vor ihm auf dem Schreibtisch. Stolz ist er auf seine seitenlangen Dialoge. Obwohl “Django Unchained” mit einer Laufzeit von 165 Minuten oft auch ein wenig verschwatzt daher kommt, lauscht man doch Christoph Waltz, Jamie Foxx, Leonardo DiCaprio und auch Samuel L. Jackson gerne zu. Egal ob es nun um moralische Aspekte, eine der Zielpersonen soll vor den Augen ihrer Kinder erledigt werden, oder die angeblichen einheitlichen Schädelstrukturen der negriden Rasse geht. Immer ist der pointierte Gedankenaustausch packend inszeniert.


Die in der Gewaltdarstellung äußerst realistisch und explizite Hommage an das italienische “Spaghetti Western”-Kino wird mit fortschreitender Spielzeit dabei immer bestialischer, rigoroser und unangenehmer an zu sehen. Doch bis es zu den in Blut getränkten Showdown auf DiCaprios Candyland kommt, will man seinen Kopf nicht angewiedert weg drehen, zu mitreißend sind die epischen Bilder, zu packend die fesselnden Dialoge, zu ausdrucksvoll die in Rot getränkten letzten Minuten. Nein, man begleitet Django bereitwillig auf seinem Ritt vom Sklaven zu einem freien Mann und schlussendlich zum Colt-Schwingenden Kopfgeldjäger.




Dabei injiziert Tarantino durch die Musikauswahl soulige Hüftschwünge in seine siebte Regiearbeit. Ob nun Jamie Foxx - der auch einen eigenen Song auf dem Soundtrack zu verantworten hat  - in Zeitlupe seinen Sklaven-Poncho abwirft oder rechts und links Kugeln an ihm vorbei fliegen während 2Pac auf James Browns “Payback” rappt, nie stören die Songs, sondern fügen sich nahtlos in Tarantinos Popkultur-Kanon ein. Der hat schon längst seine Wellen geschlagen. Pünktlich zum Filmstart bringt der DVD-Vermarkter “Koch Media” die Western Unchained Kollektion heraus, die zehn von Quentins Lieblingswestern enthält. Seit Mitte Dezember verbucht der Soundtrack Chartplatzierungen in den USA und neue Western anderer Regisseure sind auch schon geplant.


Locker kann man nun eigentlich darüber hinweg sehen, dass Waltz oft wie eine Kopie seiner oscarprämierten Darstellung des intelektuellen Nazis Hans Landa aus “ingloriuos Basterds” daher kommt, weibliche Wesen eigentlich nicht wirklich viel in dem Film zu tun haben und auch die eigentliche Geschichte (Django will seine Frau befreien) keine größeren Überraschungen bietet. Während “Inglorious Basterds” eine Abrechnung mit dem Nationalsozialismus war, so ist “Django Unchained” nun nicht nur ein fiktiver Rachefilm mit historischen Bezügen geworden, sondern ein radikaler Mix aus völlig schrägen Situationen, großartigen Bildern und überragenden Darstellern, garniert mit Blaxploitation-Anleihen, Asia-Action, deutschen Volkssagen und französischer Literatur. Mehr kann man nun wirklich nicht für eine Kinokarte verlangen.


Trailer: 



80%

Weitere Artikel: 

- Der Italo-Western 
- Quentin Tarantinos Lieblings Italo-Western


Text: Markus Breuer
Fotos: Sony Pictures Releasing

Der Italo-Western





Das Genre des Italo-Western boomte seit 1964 bis in die Mitte der Siebziger Jahre hinein. Dabei entstanden rund 500 Streifen. Als die alten Monumentalfilme kein Publikum mehr fanden und die italienische Filmindustrie den plötzlichen Erfolg deutscher Karl-May-Verfilmungen zu kontern versuchte, wollten die Leute einfach andere Filme sehen. “Die Amerikaner drehen schon lange nicht mehr, was den Leuten gefällt”, erklärte Regisseur Sergio Leone 1966. “Darum haben wir etwas neues versucht” (Der Spiegel Nr.23/1966).






Den Thron der “Spaghetti-Western”-Regisseure teilten sich Duccio Tessari, Sergio Corbucci und Sergio Leone. Der Erfolg kam mit “Für eine Handvoll Dollar”: Eine Geschichte zweier Familien, die sich gegenseitig aus der Western-Welt schießen. Die Regie hatte ein unbekannter Namens Bob Robertson übernommen, dabei handelte es sich eigentlich um Leone der sich erst zu erkennen gab, nachdem sein Werk von der Presse als “König der italienischen Western” ausgerufen worden war.




Sergio Leone und Clint Eastwood am Set von "Für eine Handvoll Dollar"


Das Drehbuch schrieb der Italiener damals in nur 5 Tagen, da es sich dabei eigentlich um Akira Kurosawas “Yojimbo” handelte und Leone ihn nicht mal erwähnte, folgten jedoch langwierige Rechtsstreite. Man einigte sich auf 15% aller Einnahmen für Kurosawas Vorlage. Da Maximilian Schell sich zu schade war, wurde Clint Eastwood unrasiert und mit Zigarre im Mund über Nacht zum Star. Der Film wurde ein Smash-Hit. Der Nachfolger “Für ein paar Dollar mehr” spülte noch mehr Geld in die Kinokassen und der dritte Film “Zwei Glorreiche Halunken” übertraf die beiden Filme bei weitem. Leone hatte Glück. Sein Monumental-Schinken-Vorgänger “Der Koloss von Rhodos” lag ihm noch fad im Nacken. Der teure Film ruinierte 1961 fast das damalige Produktionsstudio.





Corbucci wollte einen ähnlichen Helden kreieren, den sich Sergio Leone mit Clint Eastwood erschaffen hatte. Am Ende war es ein Foto, dass die Produzenten auf Franco Nero aufmerksam machte. Nur eines wollte der damalige Theaterstar unbedingt in den Film einbringen. “Ich heisse Nero… ich will komplett in Schwarz gekleidet sein”, wies er an. “Django” war geboren. Verschlossen, finstern, wortkarg bis zur klinischen Stummheit. Den Hut tief ins Gesicht gezogen. Aufreizend lässige, träge Bewegungen. Ein Mann den sein Job geprägt hat: zu töten. Darin ist er der Größte, Schnellste, Sicherste. Django zieht immer zuletzt und bringt doch alle um. Hunderte Nacharmer folgten. Jüngst auch Quentin Tarantino, der mit seinem aktuellen Film “Django Unchained” den Italo-Western mit dem Blaxploitation-Film verbindet.




Vor allem die Gewaltdarstellungen wurden dabei immer drastischer. “Die Leichen”, sagt Regisseur Duccio Tessari, “müssen noch voll mit Blei gepumpt werden, denn diese Letzten Kugeln machen den Leuten am meisten Spaß. Wir haben in einem Jahr mehr Munition verbraucht als (der amerikanische Westernregisseur) John Ford in 30 Jahren”. (Der Spiegel Nr. 23/1966) Corbucci, der in drei Monaten auch mal locker drei Filme abdrehte, erörtert “Ach ja, der Erfolg. Ich glaube es ist der gegenwärtige Zeitgeist den wir bedienen. Ein Zeitgest der von Gewalt bestimmt wird. Gewalt nur um der Gewalt wegen. Ich glaube dies macht auch den Erfolg der James-Bond-Filme aus”. “In meinen Filmen töte ich mehr Menschen als Nero und Caligula zusammen. Es wird schwer sich immer neue Methoden aus zu denken”.



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Leone wies dagegen darauf hin: “Die Gewalt in meinen Filmen ist harmlos, verglichen mit dem was wirklich geschah”. Die blutgetränkten Streifen zogen ihren roten Faden dennoch mit immer mehr Erfolg durch den gängigen Kino-Kanon. Nun wurden auch die Amerikaner aufmerksam und holten Leone in die Staaten. Mit einem Budget von 2,5 Millionen Dollar drehte er das mittlerweile als Meilenstein der Filmgeschichte anerkannte Meisterwerk “Spiel mit das Lied vom Tod”. 



Der Kino-Veteran Henry Fonda, sonst gewöhnlich als lonesome rider tragisch zu Pferde wurde als harter Killer Frank besetzt, Claudia Cardinale als Gegenstück einer blonden Pioniersfrau. Für die damalige Presse ein komplettes Desaster. “Und weil sein Rezept Grausamkeit als Selbstzweck heißt, nimmt der Regisseur auch die Zuschauer bei der Folter nicht aus: Minutenlang verharrt die Kamera auf dem Kinn eines Banditen, über das eine lästige Fliege krabbelt. Für nichts und wieder nichts” schrieb Der Spiegel. In Der Zeit wurde der Film unter “Ferner läuft” wie folgt beschrieben: Seine zweieinhalb Stunden braucht der Film, um Langeweile als Stilprinzip praktizieren zu können. Ununterbrochen passiert gar nichts, und wenn doch was passiert, ist es beliebig, ebensogut könnte ganz etwas anderes passieren. Ereignisse und Bilder werden dem Zuschauer um die Ohren geschlagen, zu sehen, zu entdecken bekommt er nichts. Und gerade daran soll er seine Freude haben: daß ihm die Verachtung gezeigt wird, die ihm die Filmmacher entgegenbringen.” 

Dennoch, knapp 13 Millionen Menschen rannten allein in Deutschland in die Lichtspielhäuser. In den USA wurde der Film auf eine kürzere Version geschnitten, bei der Kohärenz-Fehler auftraten. Er floppte an den US-Kinokassen, spielte weltweit aber über 60 Millionen Dollar ein. Ein Mega-Hit für damalige Verhältnisse. Mittlerweile ist “Spiel mir das Lied vom Tod” der Kultfilm schlechthin und als Meisterwerk des Western-Genre weltweit anerkannt.
Doch die Regisseure wurden müde und die Zuschauer langsam auch. Immer dasselbe zu produzieren und dabei von den intelektuellen Kritikern ignoriert zu werden, nagte am Ego. “Dialoge sind im Western nicht so wichtig”, erklärt Corbucci. “Wir haben hier Franzosen, Amerikaner, Italiener.” “Es ist für die meisten Schauspieler besser zu zählen.” “Der Franzose sagt “quatre” oder “trois”, der Engländer “one” und das heißt soviel wie “ja”. Es kann aber auch was ganz anderes heißen, es ist scheiß egal. Deshalb hasse ich den Western. Die Gewalt nahm den Western alle “psychologische und patriotische Romantik”. “Unsere Filme sind absolut sadistisch. Ich hoffe, das alles hat bald ein Ende.” Die Antwort ist “nein” und das ist auch gut so. 

Interessant: 

Morricones verlorenes Interview: 


Dokumentation "Der Italo-Western": 


Dokumenation "Leichen pflastern seinen Ruhm" (1972):