Der deutsche Film zwischen ewiger Vergangenheitsbewältigung, antideterministischem Biologieverständis und wirren Zukunftsvisionen.
Der Endspurt des Kinojahrgangs 2010 wird dieses Jahr glücklicherweise nicht in einem Til Schweiger Blockbuster gipfeln. Die Deutschen Produktionen werden ohne ihren Quotenmagnet um die Gunst des Publikums kämpfen müssen. Im November tyrannisiert dann auch gleich Ben Becker als Obersturmbandführer Koslowski den Sägewerk-Besitzer "Habermann" in einem Dorf in den Sudetengebieten der Tschecheslowakei. Stolz "Heil Hitler" brüllend und in HJ-Uniform steht ihm stramm Teenie-Schwarm Wilson Gonzales Ochsenknecht bei, dem hier durchaus schauspielerisches Talent zugewiesen werden kann. Neben den fiesen Nazis sind es aber auch die barbarisch, plündernden Tschechen in "Habermann" die nicht allzu gut weg kommen und da die gewaltsame Vertreibung der sudetendeutschen Bevölkerung nach dem II.Weltkrieg immer noch ein Thema ist, dass die Beziehungen der beiden Staaten belastet, kann man "Habermann" auch wahrhaft historische Bedeutung zuordnen. Doch wird man das Gefühl nicht los, übersättigt von deutschen Schauspielern in Nazi-Uniformen zu sein und hofft auf die Umsetzung anderer Themen.
In die Gegenwart schaut dann Tom Tykwer, der nach seinen Hollywoodausflügen den gehobenen Mittelstand Berliner Mittvierziger beäugt. Von langweiligen Ethikrat-Sitzungen über schockierende Hodenkrebs-Diagnosen samt grausiger OP in blutiger Nahaufname, schickt Tykwer seine "3" Protagonisten auf sexuelle Selbstfindung und schenkt dem Publikum einen Weihnachts-Dreier. Intellektuelle Bisexualität ist hier durchaus unterhaltsam, regt aber weder zum Nachdenken, geschweige denn zum nachahmen an -- Leider. Und so verlässt man den Kinosaal dann doch recht emotionslos.
In eine eher Wirre Zukunft blickt Regisseur Lars Kraume mit seinem hochkarätig besetzdem "Die kommenden Tage" und stellt die Frage, ob Terrorismus ein akzeptables, oder auch nur funktionales Mittel gegen die Ungerechtigkeit der kurzsichtigen, raffgierigen Weltpolitik sein kann. Klingt interssant, ist es aber leider nicht, da viel zu viel Zeit in die mikrokosmische Geschichte einer Familie investiert wird, die auf Telenovela-Niveau von Schicksalschlag zu Schicksalsschlag hinkt.
2011 wird es dann auch wieder einen Til Schweiger Blockbuster geben, indem der Schauspieler mal wieder einen Frauenheld mimt, der diesmal jedoch plötzlich mit einer ungeplanten Tochter zu kämpfen hat (gespielt von Til Schweigers leiblicher Tochter). Doch auch "Kokowääh" klingt nun mal nicht besonders Oscarverdächtig und so bleibt zu hoffen, dass das Deutsche Beamtenkino sich nicht mit konfusen Drehbüchern und immer wieder aufgekauten Geschichten in die Bedeutungslosigkeit manövriert. 2009 waren es noch 16,6 dieses Jahr sind es nur noch 11% Marktanteil, der erfolgreichste Film datiert mit "Friendship" und 1,5Mill. Besuchern auf den Januar zurück, doch wer umfällt, der kann auch wieder aufstehen und Talent, das gibt es in diesem Land zuhauf.
Habermann startet am 23.11.2010 in den Kinos:
Die kommenden Tage am 4.11.2010
"Drei" startet zu Weihnachten am 23.12.2010
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