Mittwoch, 3. Oktober 2012

Gesichtet: Killing Them Softly



Killing Them Softly
Kinostart: 29. November 2012
Regie: Andrew Dominik
Darsteller: Brad Pitt, Ray Liotta, James Gandolfini, Sam Shepard







Es hört einfach nicht mehr auf zu Regnen, die Sonne scheint hier schon seit Jahren nicht mehr vorbei geschaut zu haben, ein getunkt in trüben Sepia-Farben wandeln Kleinganoven, Nutten und bewaffnete Gangster durch verkommende Gassen. Willkommen in Amerika im Jahr 2008. Barack Obama kämpft gegen John McCain um den Posten des scheidenden Präsidenten George Bush. Die Wirtschaftsblase ist geplatzt. Das Land steht am Abgrund. New Orleans gleicht drei Jahre nach Hurrikan „Katrina“ immer noch einem Kriegsgebiet.


Für Frankie und Russel sieht es auch in absehbarer Zukunft nicht gerade rosig aus. Es scheint einfach keine vernünftigen Jobs mehr zu geben. Doch während Frankie sich langsam wieder in seine warme Zelle zurückwünscht, ist Russells Hoffnung noch nicht ganz verschwunden. Er will in ein paar Jahren das große Geld als Heroindealer machen. Nur an das Startkapital muss er irgendwie ran kommen. Vor allem scheint es dabei jedoch nicht hilfreich zu sein, dass er selbst sein bester Kunde ist und vom Drogenrausch benebelt im Halbschlaf durch seine trübe Welt wandelt. Ein Überfall auf Markies Kartenspieler-Truppe soll seine und Frankies Geldsorgen vergessen Lassen. Gangster beklauen Gangster. Natürlich bleibt so ein Beuteraubzug nicht ohne Konsequenzen. Auftritt Brad Pitt alias Auftragskiller Jackie. Mit zurück gegeelter Haarpracht, Lederjacke über den Schulten und einer Sonnenbrille auf der Nase, die sogar Steve McQueen vor Neid erblassen lassen würde, wandelt er als gefallener Engel auf einer todbringenden Mission durch den Gott verlassenen Vorort. Regisseur Andrew Dominik könnte mit seinem Gangster-Streifen auch auf Zeitreise aus den rohen achtziger Jahren gekommen sein. Wir treffen auf geschwätzige Charaktere die meist Reden, wenn sie sich nichts zu sagen haben, einsame Junkies treffen auf perspektivlose Gangster. Eine Stadt voll von verlorenen Seelen.


Regisseur Dominik scheint die Hoffnung in sein Land schon komplett aufgegeben zu haben. In Amerika bist du auf dich allein gestellt, flüstert Pitt seinen Auftraggebern ins Ohr. Wir sind kein Volk, Amerika ist ein Business. Sozialkritik, verpackt in einem wütenden, fluchenden, aussagekräftigen Kleinganoven-Thriller mit großen Darstellern. James Gandolfini flucht sich vom Schnaps gezeichnet durch billige Hotelzimmer und wenn in extremer Zeitlupe auf Ray Liottas vom Botox und Narben gezeichnetes Gesicht eingeprügelt wird, der Regen dabei plätschert und die Knochen langsam knacken, inszeniert Dominik seine Szenen auf skurille Weise in einer wohligen Symphonie. Gewalt als Poesie in einer Welt, die wohl nicht mehr zu Retten ist. Killing Them Softly überzeugt als intelligenter Arthaus Film verpackt in einem vulgären Thriller, der es verdient von einem großen Publikum gesehen zu werden.


Übrigens: Auch das Cannes-Filmfest spielte Killing Them Softly im Offiziellem Programm. Hier ist die gesamte Pressekonferenz. 



Trailer:


Text: Markus Breuer
Fotos: Promo