Sonntag, 28. Dezember 2014

Wir waren mal Stars: Hollywood 1994


Sie wurden nicht als Actionhelden geboren. Nicolas Cage gewann, bevor er das erste Mal als Actionstar über die Leinwand hüpfte, erstmal einen Oscar und wurde als ernstzunehmender Charakterdarsteller gehandelt. Liam Neeson etablierte sich nach seiner Oscarnominierung für die Darstellung des Oskar Schindler in Steven Spielbergs Nazi-Drama “Schindlers Liste” als Elite-Schauspieler. Keanu Reeves verdiente seine Brötchen als freakiger Headbanger und um nicht immer wieder in der gleichen Rolle besetzt zu werden, musste sich der in Beirut geborene heranwachsende Star neu erfinden. Erwachsenere Rollen sollten für ihn gefunden werden. Nach vielbeachteten Dramen wie "Dracula" und "Little Buddha" dann plötzlich der Money-Glücksgriff: Von Heute auf Morgen wurde er mit full “Speed” zum Superstar. Sogar Charlie Sheen rastete komplett aus und fragte sich öffentlich: “Wieso dreht der mit Coppola und Bertolucci?”



Genau vor 20 Jahren feierte Reeves seinen dreizigsten Geburtstag und zeigte bei Shootings noch total frech den blanken Hintern in die Kameras der Fotografen. Ganz Sexsymbol eben. “Der wütende Buddha” heisst ein Portrait das Heiko Rosner 1994 in der cinema schrieb. Als “ganz anderen Tough Guy” bezeichnet ihn der Autor, “einer der Härte mit Sensibilität verbinden kann”. Stallone und Co. Hatten zwar mehr Muskeln zu bieten, der Sunnyboy aus “Bill und Teds”-Zeitreise-Telefonzelle, spielte sich nun allerdings nicht nur in die Herzen der Actionnerds, sondern auch in die intimen Tagträume der Damen.



Es war der 7. Juni 1994. Die Sommerhitze schaffte es nicht an den Klimaanlagen des Hotelkomplexes vorbei zu strahlen. Filmteams, Journalisten, Fotografen. Sie alle warteten auf einen englischen TV-Star. Dann betritt Pierce Brosnan: schlank, Vollbart, extrem gutaussehend und total lässig die Bühne. Erst einen Tag vorher, am 6. Juni 1994, haben die Deharbeiten zu seinem TV-Film "Robinson Crusoe" begonnen. 


Jetzt spricht er vor der Pressemeute: “Die Rolle wurde mir ja schon vor 8 Jahren angeboten, doch ich war vertraglich an “Remington Steele” gebunden”: Es ist also offiziell, Pierce Brosnan wird der neue James Bond.


Übernacht ist auf der ganzen Welt nur noch von ihm zu hören und zu lesen, doch "Remington Steele" muss erst mal wieder ans Insel-Set des TV-Crusoe zurück. Am letzten Drehtag ist sein Marktwert schon so hoch gestiegen, dass er für ein paar Nachdrehs anstatt der Gagen-Erhöhung lieber einen Porsche Carrera 911 in Zahlung nimmt und davon düst. Unter Brosnan wird Bond kommerziell ultra erfolgreich, das komplette Jahrzehnt durch bleibt er MI6-Geheimagent, die Filme schwanken zwar in der Qualität, aber Brosnan wurde immer mehr zum Superstar. Mit ihm wird der Agent im Dienste ihrer Majestät zum schillernden Promo-Bond. Ziemlich Posh, mehr Model als Schauspieler, elegant, glamourös, mehr künstliche Marke als lebendiger Charakter. Eine glänzende Litfaßsäule der Sponsoren. 

Peter Travers vom Rolling Stone Magazine verglich “Tomorrow Never Dies” 1997 treffend mit dem gleichermaßen als Popkultur-Sponsoren-Vehikel vermarkteten England-Film “Spiceworld - The Movie”.


“Wenn man die Rolle von Bond annimmt, hat man auch gleichzeitig so etwas wie einen Botschafter-Job inne” analysierte Pierce selbst und warb fortan rund um den Globus auf Werbeplakaten für Uhren, Autos und Cremes. 


Robinson Crusoe wurde übrigens nach dem Dreh erstmal zurückgestellt. Die Produzenten wollten auf den Bond-Hype warten und Crusoe später veröffentlichen. Am Ende schaffte er es weder in den USA noch in den UK zu einer Kinoauswertung. Immerhin: Im Tom Hanks Film “Cast Away” von 2000 wird dem Team vom "Pierce-Crusoe" im Abspann gedankt. 


Kevin Costner dagegen war 1994 bereits schon ein richtiger Megastar. Der Schauspieler aus Kalifornien startete das Jahrzehnt mit einem Oscarmarathon für seinen dreistündigen “Dances with Wolves” der 7 goldene Statuen mit nach Hause nehmen konnte und “Godfather 3”, “Goodfellas” und “Ghost” mit Patrick Swayze in der großen Awardnacht ausstach. Das er sogar als “bester Film” gewinnen sollte überraschte Costner sichtlich selbst. 


Mit dem Rucksack voller Hollywood-Gold machte er sich auf aus Los Angeles die ganze Welt zu erobern. Schon im Juni 1991 lechzte das Videofachmagazin “Video Plus” ihm auf dem Cover hinterher: “Alle sind scharf auf Superstar Kevin Costner”



Nach dem Welterfolg von "Robin Hood" und "Bodyguard" kam niemand mehr an ihm vorbei. Nicolas Cage wollte es derweil seinem Vater zeigen. Nachdem Onkel Francis Ford Coppola bei den Dreharbeiten zu “Rumble Fish” ihn eine Szene bei der er nur auf die Uhr schauen musste, 42 Mal spielen ließ, schlussfolgerte Papa Cage “er soll sich einen anderen Job suchen!” Danach legte Nic so richtig los: “Arizona Junior” Mit den Coen-Brüdern, David Lynchs Raodmovie “Wild at Heart” das Cannes gewann und dann “Leaving Las Vegas”. Der Film mit dem er sich als feinfühlger Alki zu seinem Oscar soff.


Es war im Juni 1996. Über zwei dutzend Kamera-Teams kämpften um einen Platz auf der Insel. Rot-Weisse-Fähren schifften die Schauspieler und Gäste zur Premierenparty. Es duftete nach Popcorn, Stars & Sternchen suhlten sich im Blitzlichtgewitter, immer wieder wurden am Strand Party-Crasher auf Jet-Skis und Windsurfbrettern von der Küstenwache verjagt als eine Propellermaschine über den 500 Köpfen der eingeladenen Schickeria flog, an der ein riesiger Banner mit der Marketing-Phrase des Films befestigt war: “Get ready to Rock”. Nic Cages Vollbart flattert im Wind als er mit der einzigen heißen Blondine des Abends im Arm auf der Gefängnisinsel Alcatraz landet, die nicht lacht. Ihm und seiner Frau Patricia Arquette ist der ganze Rummel sichtlich zu viel. Vielleicht wusste er auch: Nach diesem dekadenten Blockbuster-Konfettibomben-Fest ist es aus mit der Charakterdarsteller-Karriere. 


[Zwei Jahre Später folgte auf den kommerziellen Erfolg von "The Rock" der Actionkracher "Con Air". Wieder mit Michael Bay als Regisseur und Cage diesmal mit der langen Haarmähne bewaffnet, die auch Bays Haupt schmückt. (Europas größte Filmzeitschrift damals, widmete dem Star ein zweiseitiges Portrait)]

Bay und Connery am "The Rock"-Set 1996
Disney lud nicht nur das Filmteam von “The Rock” zur großen Premieren-Sause ein, im Innenhof der Gefängnisinsel ward gar ein riesiges weißes Zelt installiert, samt Filmprojektor und 44-Fuß Leinwand. Eddie Murphy, Robin Williams, Carlos Santana und Disney-Präsident Michael Ovitz hatten abgesagt. Sean Connery ging es eh nicht so gut und als ihn die Journalisten mit Fragen bombardierten, antwortete er nur: “Zurück auf die Gefängnisinsel für diese Premiere kommen, ist der schlimmste Part in der Produktion des Films”. Keiner hat sich den Spaß wohl gewünscht, doch einer ist sichtlich beunruhigt. “Ich habe den Film schon acht Mal gescreent und das ist das ruhigste Publikum mit dem ich ihn jeh gesehen habe” verrät Regisseur Michael Bay, ein schlaksiger, langer Mann, der Berichterstatterin der New York Times. “Ich liebe es solche Filme mit Leuten zu sehen, für die sie gemacht sind. Sie lachen, klatschen und sind einfach viel lauter”. So wird es in der Karriere des Krawall-Papstes auch bleiben. Gehasst von der Presse, geliebt von seinen Fans. Eine Schublade in die es Cage auch bald selber treiben wird. 


Donnerstag, 20. November 2014

Gesichtet: "Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 1"


Die Tribute von Panem - Mockingkay Teil 1

USA 2014 
Regie: Franics Lawrence 
Darsteller: Jennifer Lawrence, Woody Harrelson, Philip Seymour Hoffmann, Julianne Moore 

Laufzeit: 123 min. 

IMDB-Link 

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Deutsche Filmseite 









Die ersten beiden Teile der "Hunger Games"-Serie waren knallbuntes Popcorn-Kino mit sozialkitischen Untertönen. Schrille Kostüme, die so aussahen als wären wir in einem mulitmillionen Dollar teuren Universum einer niemals enden wollenden Transenparty gelandet. Und sadistische Spiele unter Teenies, die wie bei dem japanischen Schlachtfest "Battle Royale" tödlich enden können. Alles hinter der Kulisse eines totalitären Staates, der sein Volk unterdrückt. Nun, im mittlerweile dritten Teil, Teil 1 der Saga ist alles anders. Der Grundtenor ist um einiges düsterer, die Sonne scheint überhaupt nicht mehr, wir sind mit der Revolution im Untergrund angekommen. In den ersten Sekunden des Films, hievt sich Jennifer Lawrence alias Katniss Everdeen unter Tränen aus dem Krankenbett des Rebellen-Unterschlupfs um sich anschliessend durch den Film zu kämpfen. Sie wird in den folgenden zwei Stunden öfter weinen, sie wird Ansprachen halten, als Propaganda-Gesicht missbraucht werden, immer wieder mit ihren Emotionen zu kämpfen haben und dabei eine wirklich gute Performance abgeben.



Eine großartige Schauspielerin, so gut, dass ihre Teenie-Kollegen daneben so blass und grau wie das Setting wirken. Einzig und allein Woody Harrelson kann da noch etwas aus seiner Rolle heraus holen und eventuell noch Elizabeth Banks, die für die wenigen belustigenden Augenblicke des deprimierenden Streifens mit an Bord ist. Philipp Seymour Hoffmann, Donald Sutherland, Julianne Moore und Co. haben einfach zu wenig Screen-Time um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen und so müssen sie eben weisse Perrücken tragen um irgendwie im Gedächtnis zu bleiben. Weil die ersten beiden Buchadaptionen weltweit mehr als 1.4 Milliarden Dollar eingespielt haben und Filmstudios von geldgierigen Anwälten geführt werden, wurde das letzte der Bücher in zwei Filme aufgeteilt. Genau wie bei "Twilight", dem "Hobbit" oder "Harry Potter" merkt man das natürlich auch. Viel zu langgezogen wirkt der Streifen, der eigentlich nur dafür da ist um den Spannungsbogen zum nächsten Film zu dehnen.



In der dargestellten dystopischen Zukunft fühlt man sich wie in dem verwirrten Kopf einer Klischeeversion eines Hollywood-Gothik-Teenies, dass sich ständig ritzt, sich in schwarze Klamotten einhüllt, in der Schule gehänselt wird und Abends heulend im Bett liegt. Es gibt Szenen, wie den Rettungsversuch einer Katze, der in letzter Sekunde klappen muss, die wirklich keinen Sinn machen. Dann wiederum Momente in denen der Film einfach anhält. Sich von den Anstrengungen der Revolution und der schweren Blockbuster-Bürde auf seinem Rücken ausruhen muss. Dann sitzt Katniss vor einem See, beobachtet die Vögel und fängt an in bluesiger Stimme einen Song anzustimmen, der sich wie ein roter Faden durch die nächsten Szenen zieht. Unheimlich poetisch.



Wer sich in die langen Schlangen der Multiplexe stellt und ein Bayham-Explosions-Schlachtfest erwartet, der wird enttäuscht sein. Es gibt große Set-Pieces wie die Sprengung eines Staudamms oder einen Luftangriff. Aber eigentlich werden nur die Weichen für ein größeres Spektakel gelegt. Am besten als Double Feature 2015 mit "Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 2" schauen.

Pressekonferenz nach der Premiere: 



60%

Text: Markus Breuer 
Fotos: Promo

Sonntag, 9. November 2014

Gesichtet: Interstellar


Interstellar 
 
USA 2014
Regie: Christopher Nolan
Darsteller: Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Michael Caine, Jessica Chastain

Laufzeit: 169 Minuten 

IMDB-Link

Boxoffice Infos
 

Deutsche Filmseite 









Auf Regisseur Christopher Nolan lastet ein immenser Erfolgsdruck: Mit “Inception” hat der gebürtige Brite das Unterbewusstsein in einen Actionthriller verwandelt, in “Memento” die Regeln der Erzählstruktur auf den Kopf gestellt und mit seiner “Dark Knight”-Trilogie 2.5 Milliarden Dollar Umsatz gemacht. Nolan ist einer von sehr wenigen Regisseuren, die in Hollywood eine Wildcart besitzen, nicht viele können in ein Meeting mit erfolgsorientierten Studiobossen gehen und mit 200 Millionen Dollar wieder raus kommen. Doch für die mächtigen Studios, muss sich die Investition auch rechnen. Trotzdem: Wenn es ihm in den Sinn kommen würde, könnte er das Telefonbuch verfilmen. In 3 Teilen. A - H, I - K und L - Z. Budget? 1 Milliarde! Wieso eigentlich nicht. Was macht er aber nach seinem „Batman“-Superhelden-Hit? Etwas was sich kaum noch jemand in Hollywood traut. Während gängige Blockbuster jenseits der 100 Millionengrenze auf mindestens zwei gleich große Fortsetzungen, eine Videospieladaption und unzählige Spielzeug-Verträge ausgelegt werden, auf Bestseller basieren sollten oder nur weitere Fußabdrücke der Prequel, Sequel & Remake-Manie sind, hat sich Chris Nolan für eine originelle Science Fiction Story entschieden. Und nicht nur das. Mit Physikprofessor Kip Thorne als Koproduzent, der als Berater mit am Drehbuch schrieb und seine Theorien mit einfließen ließ, geht die Tendenz eher in Richtung Science als Fiction. 

Lassen wir Kip seine Raumtheorie mal selbst erklären... 

Doch taugt das 3 stündige „Interstellar“ Astrophysikseminar überhaupt was? Oh ja! Während einen Wurmlochtheorien, Singularitäts-Hypothesen & schwarze Löcher um die Ohren fliegen, ist der Exkurs ins Weltall durch die Beziehungen der Hauptdarsteller sehr emotional auf unseren Heimatplaneten geerdet und nicht nur obligatorisches Deepspace-Eye-Candy.



Das epische Abenteuer startet in einer Zukunft, die wie unsere Vergangenheit daher kommt. Maisfarmer Cooper (wer braucht schon einen Vornamen) lebt mit seiner Familie im verstaubten Amerika. Die Nahrung des einst so ergiebigen Planeten geht Zuneige und so langsam muss sich die Menschheit wohl auf ihre Ausrottung gefasst machen. Die Holzhütten-Farm, die Mode der Protagonisten (Holzfällerhemden und Jeans), verstaubte Bücher im Wohnzimmer. Man fühlt sich als würde man in den dreißiger Jahren aufgewacht sein, im ersten Drittel fällt kaum auf, dass der Streifen einige Jahre in der dystopischen Ferne spielt. Doch, das ist natürlich pure Absicht. Holen wir zum besseren Verständnis ein bisschen weiter aus. 

Amerika in den 30iger Jahren. Quatsch! In der nicht allzu fernen Zukunft...

Irgendwann im Frühjahr 2013, nach einer stundenlangen Autofahrt durch die unendlichen Weiten der isländischen Gletscher- und Berglandschaft, stand Regisseur Christopher Nolan mit seinem Team an einem See. In der ferne schimmerte ein Fels empor und das Filmteam versammelte sich am Wasserrand. Plötzlich zog sich der Brite die Schuhe aus und watschte durch das matschige Nass gen Felsvorsprung. Seine Crewmitglieder, darunter Cinematographer van Hoytema („Let The Right One In“, Nachfolger von Kollege Wally Pfister, der sich mit der Sci-Fi-Gurke „Transcendense“ in den Regiestuhl verabschiedet hat und damit nicht mehr Nolans Nummer eins in Sachen Bildgestaltung ist) guckten sich verdutzt an. Was hat der vor? Wo will er hin? Egal, auch sie zogen alle ihre Schuhe aus und folgten ihm. Genauso wie wir uns jetzt Nolans Abenteuer im Weltraum anschliessen werden. Was hat er vor? Wenn bei einem Baseballspiel plötzlich eine gigantische Sandwolke gen Sportplatz weht. Die aus dem Untergrund agierende Nasa einen Plan ausheckt um die Menschheit zu retten und Matthew McCounaghey ein Raumschiff Richtung Schwarzes Loch steuert. Eins ist klar, unsere Aufmerksamkeit hat er und viele Nolan-Jünger werden ihm folgen. Der isländische Fels war dem Regisseur übrigens zu klein und so zog er mit seiner Crew weiter. Doch, wie kam es zu diesem Ausflug?



Nolans Reise in die Galaxis startete mit seinem Bruder Jonathan. Der werkelte schon seit ein paar Jahren für Paramount Pictures an einem Drehbuch, dass Kip Thornes Theorien über den gekrümmten Raum und die verbogene Zeit in einem epischen Projekt auf die große Leinwand hieven sollte. Im Regiestuhl? Steven Spielberg! “Ich wollte den Film starten lassen wie einen Spielberg Film der frühen Achtziger. Aber nicht wie damals, sondern wie er heute aussehen würde” verriet Nolan im Empire Magazine und würdigt damit den eigentlichen Regisseur. Der hatte sich anderen Aufgaben gewidmet und gönnte sich unter anderem einen Ausflug nach Berlin. Dort spaziert Spielberg gerade mit Tom Hanks durch Mitte, da bald die Berliner Dreharbeiten für einen Agententhriller anlaufen, der sich um den Gefangenenaustausch an der Glienicker Brücke dreht. Es musste also jemand anderes für die unendlichen Weiten des Weltraums gefunden werden. Jonathan erzählte seinem Bruder von dem Drehbuch und der hatte gleich ein paar neue Ideen für das Skript. Den ersten Teil ließ er in dem Spirit, doch sobald es in den Weltraum geht, sind wir in Nolans Kopf angekommen. Worum geht’s? Keine geringere Aufgabe als die Rettung der Menschheit wird einer Handvoll Leuten übertragen.





Doch bevor die Rakete mit Anne Hatheway, Matthew McConnaughey (dessen Charakter Cooper eine Anspielung auf Testpilot und Nasa-Flugpionier Gordon Cooper ist, der als einer der ersten Astronauten in die Erdumlaufbahn geschossen wurde) und David Giyasi an Bord die Erde verlassen konnte, musste Nolan noch einen guten Freund um Rat fragen. Als er Über-Komponist Hans Zimmer konsultierte, war der gerade dabei, den neuesten Supermanfilm zu vertonen. Die unkonventionelle Anfrage? 


"So, Hans, if I wrote one page of something, didn’t tell you what it was about, just give you one page, would you give me one day of work? Whatever you came up with on that one day would be fine!"

Zimmer sagte zu und hatte ein paar Tage später einen Umschlag in seinem Briefkasten. Mit Schreibmachine getippt. Auf dem Papier stand eine Kurzgeschichte über einen Vater, der sein Kind aufgrund eines wichtigen Jobs verlassen muss. Einen Tag später ließ der Komponist wissen, er wäre soweit. Nolan war gespannt. Setzte sich in sein Auto und fuhr direkt los. Angekommen spielte Zimmer den Track vor, drehte sich um und sah Nolan in seinem Bürostuhl sitzen. “Jetzt muss ich den Film machen” sagte er überzeugt. “Klar, aber was für einen Film” wollte Zimmer wissen. Dann fing er an diese ganze Geschichte über die Rettung der Menschheit, den Weltraum, die Theorien etc. zu erklären und Zimmer antwortete: “aber ich hab dir doch nur ein kleines, sehr persönliches Stück geschrieben”. “Ja, aber jetzt weiss ich wo das Herz des Films ist”. Das Herz, das ist Coopers Tochter Murph, die auf der von Tag zu Tag immer unbewohnbareren Erde zurückgelassen wird, als es für die „Interstellar“-Astronauten Richtung deep space geht.


Per Nolan in die Galaxis: Hier mit seinem Hauptdarsteller am Set...


Auf der Suche nach einem Ersatzplaneten und getreu dem Grundsatz von Murphys Law, geht alles was auch nur auf dem Trip schiefgehen kann, natürlich wirklich schief. So knallbunt wie die gängigen Superhelden-Sagen wo es sonst um die Rettung der Erdenbewohner geht, ist Interstellar jedoch nicht, doch Nolan traut sich viel. Von Überraschungen bei der Auswahl seiner Nebendarsteller, einer gigantischen Explosion im All bei dem er die Soundeffekte stumm stellt, auf der einen, und einem glockenhellen Hans-Zimmer-Bombast-Soundtrack auf der anderen Seite. Schnelle MTV-Ästhetik sucht man vergebens, jede noch so kleine Szene ist bis ins Detail ausgearbeitet und keiner der zahlreichen Effekte wurde im Greenscreen gebastelt. Von Erdähnlichen Planeten, über gigantische schwarze Löcher und allem was wir auf dem Spaziergang ins All noch begegnen, arbeitete Nolan am Set mit Hochleistungs-Beamern, die den Weltraum und die interstellaren Sterne und Planeten direkt an die Studiowand holten.



Ob zum Saturn oder in eine komplett andere Galaxie. Die entstandenen IMAX-Bilder lassen den Zuschauer direkt an dem Spektakel teilhaben. Allerdings ist die 70mm Kopie auf der der Streifen gedreht wurde in Deutschland nur auf 2 Kinoleinwänden zu sehen. Eine davon im Berliner Sony Center. Alle anderen bekommen die digitale Imax-Version, die Nolan kurz vor dem Kinostart in eigener Aufsicht noch mal remasterte, vorgesetzt. Der Hype ist trotzdem kaum zu bändigen. Schon vor dem Dreh waren die Studios so wild auf die finanzielle Auswertung des Projekts, dass Warner Bros. zum Beispiel einen Deal mit einem eher unkonventionellem Tauschpaket abschloss. Warners Rechte an der Erfolgs-Slasher-Serie “Freitag der 13.” und die Schimpfmäuler von “South Park” wurden gegen die internationale Auswertung des Science-Fiction-Film getauscht. Mit der Prämisse, dass in den nächsten 5 Jahren "Freddy" + "South Park" Filme unter Paramount Pictures entstehen, bei dem "Interstellar" eigentlich exklusiv im Vertrag war. Ein so großes Potential und Vertrauen wird einem originellem Sci-Fi-Abenteuer nicht jeden Tag zugesprochen. Zumal der Film mit seiner Überlänge von knapp 3 Stunden und keiner Aussicht auf Sequels auf den ersten Blick nicht allzu große Chancen haben sollte. Irgendwie hat es Nolan aber geschafft seinen eigenen Namen als Qualitäts-Marke zu etablieren und nach „Inception“, der gigantische 800 Millionen einspielte, will Warner ein Stück vom Kuchen ab haben.



Getauscht: Paramount hat jetzt die Rechte an Freddy und Cartmann & Co.


Doch, wobei „Inception“ noch mit wilden Verfolgungsjagden durchs Unterbewusstsein, zumindest für die jüngere Generation, ausreichend Action bot, verlangt der viel ernstere „Interstellar“ sehr viel Aufmerksamkeit von seinem Publikum. Nach dem Presse-Screening fühlten sich viele der Journalisten etwas „lost in space“ nachdem sie den Physik-Theorien nicht immer folgen konnten, während andere von den emotionalen Teilen der Geschichte überrumpelt wurden. Nicht jeder wird einen Zugang in die Story finden. Neben der Physik, nimmt sich "Interstellar" viel Zeit für philosophische Grundsatzfragen. Wie stark ist unser Überlebensdrang? Ist der größte Feind der Menschheit, nicht der Mensch selbst? Wie stark bindet Liebe? Eine Mammut-Aufgabe für einen Science-Fiction-Film die es schaffte den einen oder anderen eine Träne zu entlocken, wobei andere die emotionale Ebene zu kitschig und unausgereift fanden. Dennoch, manchmal scheint sie in den frühen Minuten des Films hervor, diese Spielberg-Magie und man fragt sich, was wohl der eigentliche Regisseur aus dem Stoff gemacht hätte. Mit den Klassikern des Altmeisters, kann sich Nolans Space-Oper trotzdem nicht messen, sie ist einfach zu Erwachsen. Das muss nicht schlecht sein, wenn ein Multimillionen-Hollywood-Blockbuster auch mal den Kopf der Rezipienten anstrengt. 

Doch sind die Synapsen der potentiellen Zielgruppe mit schnellen, wirren Schnitten und explodierenden “Bayham”-Konfettibomben noch so arg belastet, dass nach dem Abspann, zwei von fünf Leuten eher gähnend den Saal verlassen werden und nicht wissen was in diesen 169 Minuten-Abenteuer eigentlich alles passiert ist. Echauffieren kann man sich auch an der Tatsache, dass das Wohlergehen der Menschen mal wieder ausschließlich von einer Handvoll Amerikaner abhängt. Es scheint fast so, als würde die komplette Menschheit nur in dem vom Kolumbus entdeckten Areal auffindbar sein. Asien, Europa oder gar Südamerika wirken gespenstisch abstinent. 



Auch eine uramerikanische Institution scheint sich groß in die Ideen und Handlungsstränge des Films eingekauft zu haben. Streckenweise erscheint die Handlung wie ein Hilferuf der Nasa, die in den letzten Jahren nicht nur immer wieder mit Budgetkürzungen zu kämpfen hat, sondern oft schon durch private Firmen in ihrem Pioniergeist überflügelt wurde. Hört her, scheinen die Nasa-Mitarbeiter zu rufen: Gebt uns mehr Geld. Hört auf nur die Menschen zu ernähren, lasst sie auch mal wieder Träumen. Wir sind die Institution auf der sterbenden Erde, die eine Idee zu eurer Rettung hat. Auch ohne Budget, verbannt im Keller, sind wir trotzdem die Einzigen, die euch Retten können. Retten will Nolan auch sein geliebtes Filmformat. Während ein Großteil der Regisseure dieser Erde nur noch mit digitalen Aufnahmegeräten arbeitet, belichtet er immer noch das sterbende 35mm-Format. Ob es ihm seine Fans und Zuschauer honorieren werden, steht in den Sternen. Die ersten Boxoffice-Zahlen sind dem Hype entsprechend eher mäßig zu bewerten. Knappe 50 Millionen wird das Epos in den Staaten am ersten Wochenende einspielen. Die Kritiken sind gemischt, die Bewertungen der Zuschauer auch. Vielleicht hat der immer wieder als neuer Kubrick gepriesene Regisseur sich ein wenig übernommen. Vielleicht nicht. Die Zeit, wird es uns verraten.



Die komplette Pressekonferenz nach der Premiere in London: 



"FOX 5"-Interview mit Nolan zu Interstellar: 



"The Empire Film Podcast": Interstaller [Spoilers] 



Eyes on Cinema Interview mit Christopher + Jonathan Nolan, Jessica Chastain und Anne Hathaway 



80%


Text: Markus Breuer 
Fotos: Warner Bros.

Sonntag, 5. Oktober 2014

Gesichtet: A Walk Among the Tombstones

A Walk Among the Tombstones
Dt: Ruhet in Frieden

USA 2014
Regie: Scott Frank
Darsteller: Liam Neeson, Dan Stevens, David Harbour

Laufzeit: 114 Minuten 

IMDB Link


Boxoffice Link


Deutsche Filmseite: 

http://www.ruhetinfrieden-film.de/




Das hätte vor vor ein paar Jahren sicher niemand für möglich gehalten. Vor allem Liam Neeson selbst nicht. Mitte der Neunziger hat der gebürtige Ire das Angebot abgelehnt als James Bond in den Dienst ihrer Majestät zu treten. Er ist halt einfach nicht der Actiontyp! Pierce Brosnan übernahm. Und nun, mehr als ein Jahrzehnt später, waren es die Überredungskünste von "Leon der Profi"-Regisseur Luc Besson, die alles änderten. Als Neeson 2008 in die toughe Haut des ruppigen Ex-CIA-Agenten Bryan Mills in “Taken” schlüpfte und mit fiesen Einschüchterungen durchs Telefon nicht nur eine ganz besondere Gabe an Skills für den perfekten Anrufbeantworter-Text bewies, sondern quasi über Nacht auch die Kassen am Boxoffice explodieren ließ, ward eine neue Actionikone samt eigens kreiertem B-Movie-Genre geboren. Nach weiteren Baller-Hits wie “Taken 2”, "Unknown", “The Grey” oder “Non-Stop” soll es mit “A Walk Among the Tombstones” nun ein wenig morbider, intellektueller und vor allem sehr viel bedrückter zugehen. Ein wenig “Das Schweigen der Lämmer”, ein bisschen “Sieben” und eine Prise “8 mm” wurde Neeson in seinem neuen Film beigemischt.




Eines haben alle genannten Streifen gemeinsam: Sie spielen in den Neunziger Jahren. So auch “A Walk Among the Tombstones”: Was für ein scheiss Tag in New York. Erst streitet sich Polizist Matthew Scudder mit seinem Partner und dann ballern auch noch ein paar Jugendliche den Barkeeper über den Haufen, der ihm gerade noch sein Frühstücks-Gedeck mit einem Kaffee und 2 Whiskey Kurzen vor die Nase stellte. Scudder kann im Schnaps-Delirium gerade so seine Knarre zücken und verfolgt die drei Störenfriede durch die Stadt. Nach der Schiesserei, ist nichts mehr wie es war.

Als unlizensierter Privatdetektiv schlafwandwelt er nun auftragslos wie ein japanischer Ronin durch die letzten nicht gentrifizierten Gebiete Brooklyns voll von Grafitti und Müll, getränkt in schroffen Grautönen und in Panik vor dem bevorstehenden Millenium. Wir haben mittlerweile 1999. In der Bibliothek gibt es noch Röhrenmonitore, Kinder wissen mehr über das Internet als Erwachsene und nicht wirklich jeder hatte ein Handy. Zumindest Scudder nicht - ist einfach nicht sein Ding. Seine Detektivarbeit erledigt der wortkarge Mann zu Fuß, Befragungen gibt es nur Face to Face und als die Frau eines Drogenbosses von Sadisten zerstückelt aufgefunden wird, schaltet sich der Ex-Cop ein und macht sich auf die Suche nach den Gangstern. Doch fast wäre es nicht dazu gekommen: Als Liam Neeson das Drehbuch in der Hand hielt und eine Szene las, in der Scudder den vermeintlichen Entführer einer Minderjährigen durchs Telefon bedroht, wollte er das Ding wegwerfen. Zu sehr erinnert alles an seinen Action-Überraschungshit “Taken”. Doch zum Glück kam es anders. Er verleiht dem heruntergekommenen Ex-Polizisten viel Würde und eine gehörige Portion Coolness. Anstatt wild geschnittener Verfolgungsjagden und wirrer Karate-Action wird man in "Tombstones" mit beklemmender Stimmung und groteskem Humor an die Leinwand gefesselt. Und trotzdem ist eines sicher: Neeson ist einer der wenigen Schauspieler auf der Welt, der in seinen Filmen öfter telefonieren sollte. Diese Augen, die röchelnde bestimmende Stimme: Perfekt! 



Scudders besonderes Set an Skills beinhaltet hier den Umgang mit Stromschockern im Stresszustand, Bromance mit minderjährigen Bengeln und Shootout-Standfestigkeit auf Friedhöfen. Erfunden hat den nihilistischen Privatdetektiv Lawrence Block. Angelegt an Roman-Helden wie Sam Spade oder Philipp Marlowe trank und schoss sich Scudder seit 1979 mittlerweile durch 17 Bücher. In der Filmadaption ließen sich Regisseur Scott Frank und die Produzenten viel Freiraum. Zum einen haben Frauen nicht wirklich viel zu tun im "Tombstone”-Universum. Scudders Ehefrau wurde aus dem Skript gestrichen und die verbliebenen haben wenig zu sagen, meistens sind sie aber auch mit Kreischen und ihrem Überlebenskampf viel zu beschäftigt für den einen oder anderen Plausch. Anheuern würde man Scudder sicher nicht, mit dem grummeligen Detektiv kreierte Autor Block den eigentlich ungeeignetsten Ermittler, den die Literatur bis dahin gesehen hatte. Bei einer Veranstaltung brachte der Autor es selbst auf den Punkt.

“I'll tell you, if I were going to hire a private eye, Scudder's the last one I'd pick. He's either drunk or going to AA meetings, which leaves him with precious little time for work. His girlfriend's a hooker, and his best buddy is a career criminal and multiple murderer.”



Aber seine Klienten sind nun auch nicht wirklich die alltäglichsten Kunden. Genau wie Scudders Umfeld: Ein Obdachloser Lausbub (ein wenig fehl am Platz gespielt von Rapper Brian "Astro" Bradley), russische Koksmillionäre und Suizid-Gefährdete Taubenzüchter sind nicht die warmherzigsten Leute, die man um sich haben sollte. Wenn er nicht gerade auf der Bühne bei den anonymen Alkohlikern steht und über seine liquide Vergangenheit sinniert, sind es nun eben die "Gefallen an Freunden" die Scudder aus seiner Wohnung in die noir-getränkte Stadtlandschaft von New York locken. Mit einer gehörigen Portion Sadismus, farblosen Bildern und seiner Neunziger-Jahre Ästhetik grenzt sich "Ruhet in Frieden" wie der Streifen in den hiesigen Lichtspielhäusern heissen wird dabei von der restlichen Hollywood-Einheitsware an Actionstreifen ab. Doch mit 22 Millionen Dollar Einspiel in den USA und damit weit entfernt von der Goldgrube aller anderen Neeson-Genre-Filme, sieht es schlecht aus für die Verfilmung der restlichen Scudder-Romane. Hätte die schwermütige Stimmung mehr Resonanz hervorgerufen. Wer weiss? Vielleicht würde Scudder sogar seine Frau wieder bekommen und Neeson von seinem B-Movie-Fame wieder Richtung A- wandern. 



Genausoviel Pech hatte 1986 Jeff Bridges als er in "8 Million Ways to Die" in die von Alkohol getränkten Eingeweide Scudders aufweichte. Der Thriller von "Harold und Maude" Regisser Hal Ashby bot neben einer ausufernden Performance eines noch sehr jungen und mit Pferdeschwanz an den frühen Steven Seagal erinnernden Andy Garcia, buntes Los-Angeles-Koks-Flair und einen minimalistischen Showdown auf einem Miniatur "Angels-Flight" Rolltreppen-System, dass in den Eingang einer Luxusvilla fuhr. Ashbys letzter Kinofilm und quasi sein Karriere-Aus blieb von den Kinogängern der Achtziger Jahre quasi unentdeckt. Vielleicht sind Lawrence Blocks Scudder-Romane ja auch unfilmbar und Massenuntauglich. Eine gute Option sich eventuell mal wieder mit einem Buch in der Hand hinzusetzen und zu Lesen. 


60%


Mehr von Liam Neeson 


- Interview: Zu Taken 2 

- Review: TAKEN 2 
- UNKNOWN IDENTITY 

Liam Neeson Killcount Map: 





Jeff Bridges als Matthew Scudder in "8 Million Ways To Die" 




Neeson im "Bad Ass"-Interview zu "Tombstones" 




Neeson über seine Rolle in "Walk Among The Tombstones" 




Trailer: