Sonntag, 5. Oktober 2014

Gesichtet: A Walk Among the Tombstones

A Walk Among the Tombstones
Dt: Ruhet in Frieden

USA 2014
Regie: Scott Frank
Darsteller: Liam Neeson, Dan Stevens, David Harbour

Laufzeit: 114 Minuten 

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Boxoffice Link


Deutsche Filmseite: 

http://www.ruhetinfrieden-film.de/




Das hätte vor vor ein paar Jahren sicher niemand für möglich gehalten. Vor allem Liam Neeson selbst nicht. Mitte der Neunziger hat der gebürtige Ire das Angebot abgelehnt als James Bond in den Dienst ihrer Majestät zu treten. Er ist halt einfach nicht der Actiontyp! Pierce Brosnan übernahm. Und nun, mehr als ein Jahrzehnt später, waren es die Überredungskünste von "Leon der Profi"-Regisseur Luc Besson, die alles änderten. Als Neeson 2008 in die toughe Haut des ruppigen Ex-CIA-Agenten Bryan Mills in “Taken” schlüpfte und mit fiesen Einschüchterungen durchs Telefon nicht nur eine ganz besondere Gabe an Skills für den perfekten Anrufbeantworter-Text bewies, sondern quasi über Nacht auch die Kassen am Boxoffice explodieren ließ, ward eine neue Actionikone samt eigens kreiertem B-Movie-Genre geboren. Nach weiteren Baller-Hits wie “Taken 2”, "Unknown", “The Grey” oder “Non-Stop” soll es mit “A Walk Among the Tombstones” nun ein wenig morbider, intellektueller und vor allem sehr viel bedrückter zugehen. Ein wenig “Das Schweigen der Lämmer”, ein bisschen “Sieben” und eine Prise “8 mm” wurde Neeson in seinem neuen Film beigemischt.




Eines haben alle genannten Streifen gemeinsam: Sie spielen in den Neunziger Jahren. So auch “A Walk Among the Tombstones”: Was für ein scheiss Tag in New York. Erst streitet sich Polizist Matthew Scudder mit seinem Partner und dann ballern auch noch ein paar Jugendliche den Barkeeper über den Haufen, der ihm gerade noch sein Frühstücks-Gedeck mit einem Kaffee und 2 Whiskey Kurzen vor die Nase stellte. Scudder kann im Schnaps-Delirium gerade so seine Knarre zücken und verfolgt die drei Störenfriede durch die Stadt. Nach der Schiesserei, ist nichts mehr wie es war.

Als unlizensierter Privatdetektiv schlafwandwelt er nun auftragslos wie ein japanischer Ronin durch die letzten nicht gentrifizierten Gebiete Brooklyns voll von Grafitti und Müll, getränkt in schroffen Grautönen und in Panik vor dem bevorstehenden Millenium. Wir haben mittlerweile 1999. In der Bibliothek gibt es noch Röhrenmonitore, Kinder wissen mehr über das Internet als Erwachsene und nicht wirklich jeder hatte ein Handy. Zumindest Scudder nicht - ist einfach nicht sein Ding. Seine Detektivarbeit erledigt der wortkarge Mann zu Fuß, Befragungen gibt es nur Face to Face und als die Frau eines Drogenbosses von Sadisten zerstückelt aufgefunden wird, schaltet sich der Ex-Cop ein und macht sich auf die Suche nach den Gangstern. Doch fast wäre es nicht dazu gekommen: Als Liam Neeson das Drehbuch in der Hand hielt und eine Szene las, in der Scudder den vermeintlichen Entführer einer Minderjährigen durchs Telefon bedroht, wollte er das Ding wegwerfen. Zu sehr erinnert alles an seinen Action-Überraschungshit “Taken”. Doch zum Glück kam es anders. Er verleiht dem heruntergekommenen Ex-Polizisten viel Würde und eine gehörige Portion Coolness. Anstatt wild geschnittener Verfolgungsjagden und wirrer Karate-Action wird man in "Tombstones" mit beklemmender Stimmung und groteskem Humor an die Leinwand gefesselt. Und trotzdem ist eines sicher: Neeson ist einer der wenigen Schauspieler auf der Welt, der in seinen Filmen öfter telefonieren sollte. Diese Augen, die röchelnde bestimmende Stimme: Perfekt! 



Scudders besonderes Set an Skills beinhaltet hier den Umgang mit Stromschockern im Stresszustand, Bromance mit minderjährigen Bengeln und Shootout-Standfestigkeit auf Friedhöfen. Erfunden hat den nihilistischen Privatdetektiv Lawrence Block. Angelegt an Roman-Helden wie Sam Spade oder Philipp Marlowe trank und schoss sich Scudder seit 1979 mittlerweile durch 17 Bücher. In der Filmadaption ließen sich Regisseur Scott Frank und die Produzenten viel Freiraum. Zum einen haben Frauen nicht wirklich viel zu tun im "Tombstone”-Universum. Scudders Ehefrau wurde aus dem Skript gestrichen und die verbliebenen haben wenig zu sagen, meistens sind sie aber auch mit Kreischen und ihrem Überlebenskampf viel zu beschäftigt für den einen oder anderen Plausch. Anheuern würde man Scudder sicher nicht, mit dem grummeligen Detektiv kreierte Autor Block den eigentlich ungeeignetsten Ermittler, den die Literatur bis dahin gesehen hatte. Bei einer Veranstaltung brachte der Autor es selbst auf den Punkt.

“I'll tell you, if I were going to hire a private eye, Scudder's the last one I'd pick. He's either drunk or going to AA meetings, which leaves him with precious little time for work. His girlfriend's a hooker, and his best buddy is a career criminal and multiple murderer.”



Aber seine Klienten sind nun auch nicht wirklich die alltäglichsten Kunden. Genau wie Scudders Umfeld: Ein Obdachloser Lausbub (ein wenig fehl am Platz gespielt von Rapper Brian "Astro" Bradley), russische Koksmillionäre und Suizid-Gefährdete Taubenzüchter sind nicht die warmherzigsten Leute, die man um sich haben sollte. Wenn er nicht gerade auf der Bühne bei den anonymen Alkohlikern steht und über seine liquide Vergangenheit sinniert, sind es nun eben die "Gefallen an Freunden" die Scudder aus seiner Wohnung in die noir-getränkte Stadtlandschaft von New York locken. Mit einer gehörigen Portion Sadismus, farblosen Bildern und seiner Neunziger-Jahre Ästhetik grenzt sich "Ruhet in Frieden" wie der Streifen in den hiesigen Lichtspielhäusern heissen wird dabei von der restlichen Hollywood-Einheitsware an Actionstreifen ab. Doch mit 22 Millionen Dollar Einspiel in den USA und damit weit entfernt von der Goldgrube aller anderen Neeson-Genre-Filme, sieht es schlecht aus für die Verfilmung der restlichen Scudder-Romane. Hätte die schwermütige Stimmung mehr Resonanz hervorgerufen. Wer weiss? Vielleicht würde Scudder sogar seine Frau wieder bekommen und Neeson von seinem B-Movie-Fame wieder Richtung A- wandern. 



Genausoviel Pech hatte 1986 Jeff Bridges als er in "8 Million Ways to Die" in die von Alkohol getränkten Eingeweide Scudders aufweichte. Der Thriller von "Harold und Maude" Regisser Hal Ashby bot neben einer ausufernden Performance eines noch sehr jungen und mit Pferdeschwanz an den frühen Steven Seagal erinnernden Andy Garcia, buntes Los-Angeles-Koks-Flair und einen minimalistischen Showdown auf einem Miniatur "Angels-Flight" Rolltreppen-System, dass in den Eingang einer Luxusvilla fuhr. Ashbys letzter Kinofilm und quasi sein Karriere-Aus blieb von den Kinogängern der Achtziger Jahre quasi unentdeckt. Vielleicht sind Lawrence Blocks Scudder-Romane ja auch unfilmbar und Massenuntauglich. Eine gute Option sich eventuell mal wieder mit einem Buch in der Hand hinzusetzen und zu Lesen. 


60%


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