Samstag, 19. Mai 2012

Gesichtet: Der Diktator



Der Diktator 
Filmstart: 17.05.2012 
Darsteller: Sacha Baron Cohen, Megan Fox, Ben Kingsley 
Regie: Larry Charles






General Admiral Aladeen alias Sacha Baron Cohen hilft einer jungen Frau bei der Entbindung. Trotz der einen oder anderen Komplikation läuft alles glatt und er hält triumphierend das neugeborene Baby in der Hand. Plötzlich verzieht er seine Miene und verkündet entrüstet die schlechten Neuigkeiten: “Mist, es ist ein Mädchen… Wo ist der Mülleimer?”. Wer jetzt laut lachend aufschreit, der wird seine helle Freude am “Diktator” haben, allen anderen wird mit derartig bösartigen Witzen wohl der Atem stocken und die Kinnlade herunter fahren. Und das, obwohl Cohen hier nach “Borat” einen Gang zurück schaltet. Während der talentierte Entertainer mit “Ali G in da House”, “Borat” und “Brüno” noch Charaktere aus seiner eigenen Fernsehshow für die große Leinwand aufbereitete, ist “Der Diktator” nun der erste Spielfilm von und mit Mister Cohen, der hier am Drehbuch mit gewerkelt hat. 


Und da wären wir auch gleich bei den Schwächen des neuesten Streiches vom Anarcho-Komiker: waren die letzten Filme noch mit einer Art entlarvendem Journalismus gespickt, wenn “Borat” als engstirniger, kasachischer Journalist beispielsweise während einer Rodeo-Veranstaltung seine eigene kasachische Version der US-amerikanischen Nationalhymne im Salem Civic Center singt und mit lauten “Buh”-Rufen kämpfen muss oder wenn er als schwuler Österreicher Brüno für seine Modesendung “Funkyzeit” mit Waffennarren aus Texas campt und fast erschossen wird, als er versucht einem der Südstaatler ins Zelt zu folgen, so fehlen diese “echten” Reaktionen gänzlich beim “Diktator”, in dem Schauspieler nur mit anderen Schauspielern agieren. 


So muss natürlich eine gewisse Dramaturgie aufgebaut werden und diese greift nicht immer perfekt. Doch — keine Angst — “Der Diktator” ist nicht das Desaster, welches die unterirdischen Trailer heraufbeschworen haben. In der einen oder anderen Szene blinzelt gar der Glanz alter “Borat”-Tage hervor; allein beim Start des Films, der dem leider verstorbenen nordkoreanischen Machthaber “Kim Jong Il” gewidmet ist oder als Aladeen in seinem Hotelzimmer auf der Wii-Konsole das Münchner Olympia-Attentat von 1972 mit putzigen Computer-Terroristen nachspielt, wird scharf mit der Kalauer-Kanone geschossen. Frauen mit Kurzhaarschnitt werden als kleine Jungs tituliert und in einer Szene, als Aladeen die Masturbation für sich entdeckt und dabei an den jungen Forrest Gump denkt, der seine Beinschienen verliert, muss man einfach schmunzeln. In anderen Momenten wirkt gar die recht kurze Spielzeit von 80 Minuten ein wenig langatmig. Doch so wie nicht jeder Witz und jede Situation perfekt getimt sind, sind diejenigen, die wirklich sitzen, zum losgrölen.



Vor allem lohnt es sich auch wieder - wie bei jedem Sacha-Baron-Cohen-Werk - die ausgefallene PR-Kampagne zu betrachten. Nicht nur
, dass sich der Herr General auf jedem seiner öffentlichen Auftritte mit einer Auswahl an ultra-hübschen, uniformierten Soldatinnen-Models zeigt, auch während der Live-Berichterstattung vom Roten Teppich der Oscarnacht bekam ein recht bekannter Moderator während eines Interviews die vermeintliche Asche von Despot Kim Jong-Il über seinen Anzug geschüttet. 


Der Diktator mit Supermodel Elisabetta Canalis

Pressekonferenzen in New York betritt Cohen natürlich in seiner Rolle als Alleinherrscher der fiktiven Republik Wadiya und begrüßt die versammelten Journalisten als “Teufel der zionistischen Medien”. Im US-Fernsehen wird Regisseur Martin Scorsese, gefesselt an einem Stromschocker, dazu genötigt in den höchsten Tönen über den neuen Film zu sprechen und zur Weltpremiere in London ging es bewaffnet mit einem orangenen Lamborghini, seinen uniformierten Jungfrauen-Models und einer goldenen Knarre in der Hand. 





Wenn hier Realität und Fiktion gemixt werden, kennt Baron Cohen einfach keine Grenzen und genau deshalb scheinen ihn auch alle seine Kollegen so zu lieben. “Der Diktator” ist prall gefüllt mit Cameos berühmter Leute. Nicht nur, dass Ben Kingsley (Sacha Baron Cohens Co-Star in dem Scorsese-Film “Hugo”) seinen Sekretär mimt, auch Megan Fox, Anna Faris oder John C. Reilly sind sich nicht zu schade, mit dabei zu sein. „Der Diktator“ ist politisch unkorrekt, frauenverachtend, bösartig und dabei extremst lustig. Auch wenn man nach der Sichtung bei all den Lachern über etliche Minderheiten ein schlechtes Gewissen hat und am liebsten Duschen würde – dieser Kinobesuch ist es wert.


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